Kolumne Neu In Der Stadtbibliothek Ein trauriges Theaterstück namens Leben

Dinslaken · Der 1954 in Bern geborene, aber schon seit den 1980er Jahren in Berlin lebende Schriftsteller Matthias Zschokke wurde schon mit vielen Literatur-Preisen ausgezeichnet, fand aber beim deutschen Lesepublikum bislang noch keine breitere Resonanz. Die Figuren seiner Romane stehen am Rande des Lebens und versuchen vergeblich, in den gesellschaftlichen Spielregeln einen Lebenssinn für sich selbst zu finden. Mit der Sinnhaftigkeit des gesellschaftlichen Rollenspiels stellt der Autor aber zugleich auch die Konventionen realistischen Erzählens in Frage.

Auch in seinem neuen Roman, "Die Wolken waren groß und weiß und zogen da oben hin", gibt es wieder jede Menge skurriler Figuren, grotesker Szenen, verblüffender Beobachtungen und trauriger Aussichten auf ein sinnentleertes Leben. Roman, die Zentralfigur, führt ein bescheidenes und genügsames Leben und liebt die Gleichförmigkeit seines Tagesablaufs.

Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf eine Geliebte, die an abnormer Vergesslichkeit leidet, eine weiter weg wohnende Mutter und einen Freund, mit dem er nur noch brieflich verkehrt.

Und beide - sowohl seine Mutter als auch sein Freund - haben nur noch einen einzigen Wunsch: Sie wollen mit Romans Hilfe Selbstmord zu begehen.

Die grotesk überzeichnete pessimistische Weltsicht des Romans wird aufgelockert durch erzählerische Ironie, genaue Beobachtungen, jede Menge Situationskomik und witzige Pointen.

Der Autor porträtiert dabei mit einem nur ihm eigenen schwarzen Humor unsere Gesellschaft als ein Theaterstück hyperaktiver Marionetten und das soziale Miteinander als ein seelenloses Leben im Imitat.

Wer sich auf dieses melancholische Erzählszenario einlässt, dem wird diese Sicht auf unsere Gegenwart lange nicht mehr aus dem Kopf gehen.

DR. RONALD SCHNEIDER

Zschokke; Matthias: Die Wolken waren groß und zogen da oben hin. Roman, Wallstein Verlag: 2016.

(RP)
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