Kolumne Neu In Der Stadtbibliothek Ein Virtuose des Unheimlichen
Dinslaken · Der Schriftsteller Hartmut Lange, 1937 in Berlin-Spandau geboren und noch immer in Berlin lebend, gilt als kultivierter Erzähler und Spezialist für literarisch anspruchsvolle Phantastik. Seine zahlreichen Novellen-Bände überraschen seit Jahrzehnten mit immer wieder neuen erzählerischen Einfällen. RP-Lesern wurde er erstmals 2015 mit acht ebenso unheimlichen wie süffig zu lesenden Novellen vorgestellt ("Der Blick aus dem Fenster").
Zu seinem 80. Geburtstag am 31. März 2017 bringt der Diogenes-Verlag eine Wiederauflage von Langes erstem Novellenbandes aus dem Jahr 1982 heraus: "Die Waldsteinsonate". Die Neuausgabe zeigt eindrucksvoll, wie souverän Hartmut Lange in diesen frühen Erzählungen bereits seinen unverwechselbaren Erzählstil handhabt. Es geht in allen fünf Novellen um die Einsamkeit und Verlorenheit des Menschen, aber auch um unsere Sehnsucht nach Erlösung und um die heilenden Kräfte der Kunst. Der Leser wird Zeuge des geistigen Zusammenbruch Nietzsches in Turin im Jahr 1889, des gemeinsamen Selbstmordes Heinrich von Kleists und Henriette Vogels am Berliner Wannsee oder der letzten Tage eines Selbstmörders.
Er erlebt in einer surrealen Szenerie den Besuch des toten Franz Liszt bei dem Ehepaar Goebbels oder die Wiederbegegnung einer im KZ ermordeten Jüdin mit einem SS-Offizier. Dabei gelingt es Lange mit subtilen Mitteln, seinen Leser immer wieder wie magisch in die Gedankenwelt der Protagonisten mit hinein zu ziehen.
Man kann hier beim Lesen sehr rasch den Boden unter den Füßen verlieren - und doch haben diese fünf Novellen auch eine positive Botschaft.
Denn dem Leser wird - wie in einem Krimi - bewusst gemacht, welches Glück er hatte, an den Abgründen des Lebens vorbei zu schrammen. Die mit einem sehr erhellenden Nachwort versehene Neuausgabe im ansprechenden Diogenes-Cover kann auch als Einstieg in die Lektüre des "unheimlichen" Novellenwerks Hartmut Langes empfohlen werden.
DR. RONALD SCHNEIDER
Lange, Hartmut: Die Waldsteinsonate. Neuausgabe; Diogenes Verlag: 2017
