Reportage Am Montag Einblick in die Arbeitswelt unter Tage

Dinslaken · Bei der Führung über das Zechengelände mit Gästeführerin Anja Sommer war ein Zeitzeuge mit von der Partie: Hermann Dolar berichtet von seinen Erinnerungen und Erfahrungen als Bergmann auf der Zeche Lohberg.

 Zechentour mit einem Zeitzeugen: Gästeführerin Anja Sommer (vorne) nahm die Besucher mit auf einen Gang entlang und durch die Gebäude des ehemaligen Bergwerks. Hermann Dolar (mit Foto in der Hand) berichtete dazu aus den Erfahrungen seines 40-jährigen Arbeitslebens auf der Zeche.

Zechentour mit einem Zeitzeugen: Gästeführerin Anja Sommer (vorne) nahm die Besucher mit auf einen Gang entlang und durch die Gebäude des ehemaligen Bergwerks. Hermann Dolar (mit Foto in der Hand) berichtete dazu aus den Erfahrungen seines 40-jährigen Arbeitslebens auf der Zeche.

Foto: Martin Büttner

Auf dem Platz neben dem Pförtnerhaus der ehemaligen Zeche Lohberg hat sich eine Besuchergruppe versammelt. In ihrem Zentrum steht ein Mann in der Tracht eines Bergmannes und blickt auf alte Fotos, die Gästeführerin Anja Sommer mitgebracht hat.

 Zeitzeuge Hermann Dolar, Vorsitzender des Knappenvereins "Glück Auf" Lohberg, vor einem der Räder des ehemaligen Förderturms.

Zeitzeuge Hermann Dolar, Vorsitzender des Knappenvereins "Glück Auf" Lohberg, vor einem der Räder des ehemaligen Förderturms.

Foto: Büttner, Martin (m-b)

Bilder von den Gebäuden, die heute noch um die Gruppe herum zu sehen sind, allerdings aus einer Zeit vor 50, 60 oder 80 Jahren. Und der Mann im Schwarz der Bergleute, Hermann Dolar, erinnert sich und teilt seine Gedanken mit den Besuchern der Führung. Extra dafür hat Anja Sommer ihn mit zum Spaziergang durch die früheren Zechengebäude mitgenommen.

Von 1948 bis 1988 war Hermann Dolar als Bergmann auf Lohberg. "Als ich angefangen habe, arbeiteten hier 6100 Menschen", berichtet er. Und die hatten manchmal auch andere Dinge zu tun, als Kohle zu fördern. "Wir haben hier Ziegelsteine hergestellt, damit wir die Obersteiger bauen konnten", erinnert sich der Zeitzeuge. "Auch die Ziegel für die evangelische Kirche kamen hier vom Gelände." Die Arbeit in den Flözen war keine einfache Beschäftigung. "Ich war noch keine 18 Jahre alt, da stand ich schon an der Kohle. Wir mussten mit Schüppe und Hacke arbeiten - und das war richtige Maloche", erinnert sich Hermann Dolar.

Auch als mit dem Abbauhammer die Technik in die Förderung Einzug hielt, wurde es für ihn zuerst nicht einfacher. "Ich war schmächtig und die Kohle war hart. Der Hammer hat mit mir gemacht, was er wollte", berichtet der frühere Bergmann.

Zehn Jahre arbeitete er daran, die Kohle aus den Flözen unter der Erde zu brechen. "Dann sagte mein Vater, ich müsse umschulen, sonst würde ich nicht mehr lange leben", erklärt Hermann Dolar. Daraus wurde allerdings nichts, da er nach einer kleinen Auseinandersetzung mit einem der Ausbilder fünf Jahre Schulverbot bekam. Also ging es erst als Kolonnenführer zurück in die Arbeitswelt unter der Erde und schließlich war Dolar für die Sicherheit zuständig.

Er erinnert sich auch noch an die letzten Pferde, die im Bergwerk arbeiteten. "Ich musste als Lehrling Pferdejunge spielen und diese Tiere waren verwöhnt: Das eine bekam Zucker, das andere stahl dir das Butterbrot aus der Dose und mindestens zwei der Pferde bekamen Schnupftabak. Das glaubt mir heute keiner mehr", berichtet der Zeitzeuge. Die Vierbeiner wurden unter Tage zum Kohletransport eingesetzt. Nur einmal im Jahr, über Ostern, kamen sie für drei Tage aus den Schächten unter Tage. "Wir mussten ihnen die Augen verbinden, weil sie sonst blind geworden wären. Und nach den drei Tagen war es fast unmöglich, sie wieder zurück unter Tage zu bekommen", erzählt Dolar.

Als Kontrast zu den Geschichten aus der alten Arbeitswelt bekommen die Teilnehmer der Führung auch einen Einblick in das heutige Zechengelände: Ein Besuch des Ateliers von Künstlerin Walburga Schild-Griesbeck steht auf dem Programm. "Früher hat man sich hier mit Kohle schmutzig gemacht, heute eher mit Farbe", scherzt die Künstlerin und erzählt von ihren ersten Tagen auf dem Zechengelände. Die Bergleute schauten interessiert, was sie denn dort anstellt, doch sie verstand nur wenig von dem, was die Bergmänner sagten. "Ich musste deren Sprache auf dem zweiten Bildungsweg lernen - und das hat gedauert", erklärt Walburga Schild-Griesbeck. "Aber die Bergleute haben auf mich aufgepasst."

Umgekehrt lernte ihr Ehemann Peter Griesbeck die Fachsprache der Künstler kennen. Der frühere Steiger und Bergbauingenieur stellt heute selbst Kunstwerke her und hat ein ganz besonderes Material auf die Leinwand gebracht: Kohle aus Lohberg. So treffen alte und neue Arbeitswelt zusammen.

(RP)
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