Unsere Woche Eine entschiedene Stimme für die Demokratie

Dinslaken · Warum Dinslakens stellvertretender Bürgermeister völlig zu Recht eine offene Diskussion über den Stand der Integration vor Ort einfordert und warum seine Heimatstadt allen Grund hätte, auf ihn zu hören.

Wenn's denn nicht so einen ernsten, ja beängstigenden Hintergrund hätte, könnte man ja eigentlich lachen. Da macht der türkische Ministerpräsident in Oberhausen völlig ungeniert Werbung für ein Referendum in der Türkei, das dem dortigen Präsidenten, der gerade dabei ist, alle demokratischen Werte mit Füßen zu treten, noch mehr Macht verleihen soll und die nordrhein-westfälische Landesregierung sieht keine Möglichkeit, das zu verhindern. Dann versucht der türkische Justizminister das gleiche in einer kleinen Stadt in Baden-Württemberg. Und siehe da, die weiß sich gegen das Ansinnen zu wehren.

Wenn das hohe Gut der Meinungsfreiheit es nicht zulässt, den Feinden der Meinungsfreiheit ihre Auftritte zu verwehren, dann lässt sich das - wir sind schließlich im geordneten Deutschland - auch anders regeln. Die Stadt beruft sich auf fehlende Parkplätze. Ende der Debatte. Der türkische Justizminister kann nach Hause fahren. Zugegeben, das ist jetzt ein wenig verkürzt dargestellt, doch zeigt es das ganze Dilemma. Es ist notwendig, die Meinungsfreiheit in unserer offenen Gesellschaft mit allen Kräften zu verteidigen. Ausgerechnet das, scheint es aber so schwer zu machen, ihren Feinden Paroli zu bieten. Denn die berufen sich ja genau auf diese Meinungsfreiheit, um ihre antidemokratischen Ideologien unters Volk zu bringen. Und genau weil es dieses Dilemma gibt, ist es so wichtig, dass es entschiedene Stimmen für die Demokratie wie die von Eyüp Yildiz gibt. Wer Antidemokraten begegnen will, der kann das nicht, indem er ihnen den Mund verbietet. Er kann das nur, indem er sie zu einer offenen Debatte zwingt. Diese Debatte zu führen, mag ja unbequem sein, lässt sich aber nicht vermeiden. Und deswegen hat Dinslakens stellvertretender Bürgermeister sie jetzt - nicht zum ersten Mal - mit großer Entschiedenheit eingefordert. Er hat dabei ganz zurecht darauf hingewiesen, dass dies nicht nur auf Bundes- oder Landesebene geschehen muss, sondern vor der eigenen Haustür - im kommunalen Umfeld, denn hier wird Demokratie ganz direkt gelebt - oder eben auch nicht.

Wer hier lebt, der muss sich schon die Frage gefallen lassen, wie er es mit der Meinungsfreiheit und anderen unverzichtbaren demokratischen Werten hält und was es denn über seine Integrationswilligkeit aussagt, wenn er einem hinterherrennt, der offenbar entschlossen ist, in dem Land, das er regiert, Freiheit und Demokratie abzuschaffen. Dumm ist nur, dass es in Dinslaken so offensichtlich wenig Neigung gibt, diese Diskussionen offen zu führen. Nicht im Rathaus und nicht in der Bevölkerung mit türkischen Wurzeln - zumindest nicht bei deren offiziellen Vertretern.

Wer beispielsweise beobachtet hat, welche Themen der Integrationsrat in den vergangenen Monaten diskutiert hat und wie beispielsweise dessen Vorsitzender und seine Unterstützer dabei agiert haben, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass jedwede Form kritischen Fragens nicht sonderlich willkommen ist. Und was noch schlimmer ist, im Rathaus findet diese Form des Verschweigen- und nicht Wahrhaben-Wollens offenbar durchaus Unterstützung. Es ist ja wahr, Integration ist ein mühsamer Prozess, er wird aber nicht einfacher dadurch, dass Probleme nicht thematisiert werden, solange sie sich irgendwie unter der Decke halten lassen. Probleme lassen sich so nicht lösen, stattdessen wachsen und gedeihen sie. Es ist ja gut und schön, wenn in Dinslaken gemeinsame Appelle gegen Gewalt und für Toleranz verabschiedet werden oder wenn in der Stadt interkulturelle Feste gefeiert werden. Es wäre aber genauso wichtig, mal eine Veranstaltung zu organisieren, die den Einfluss Erdogans auf unser Zusammenleben und das Gelingen von Integration zum Thema macht. Das wär doch auch mal eine lohnende Aufgabe für den Integrationsbeauftragten.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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