Dinslaken Eine Runde Skat auf dem Rhein

Dinslaken · Der Winter 1928/1929 ließ den Rhein in seiner Gänze gefrieren.

 Meterhoch türmten sich die Eisschollen gerade im Bereich Götterswickerhamm und Mehrum.

Meterhoch türmten sich die Eisschollen gerade im Bereich Götterswickerhamm und Mehrum.

Foto: Stadtarchiv Dinslaken/Repro: Heiko Kempken

Man schrieb das Jahr 1928: Es war kalt, sehr kalt, Temperaturen weit unter Null herrschten am 30. Dezember, einen Tag vor dem Jahreswechsel. Es sollte noch viel schlimmer werden am Niederrhein, denn die Temperaturen senkten sich im Laufe der Wochen auf Minus 16 Grad. Für Mitte Januar aber sagte der Wetterbericht milde Temperaturen voraus, doch schon bald sollte neuerlicher Frost einsetzen, der bis Ende Januar an Stärke zunahm. Temperaturen um Minus 24 Grad ließen die Welt erstarren. Und erstarrt war dann auch der Rhein.

Bereits am 2. Februar hatten Anwohner Treibeis auf dem Fluss ausgemacht. Die Schiffer suchten ihr Heil in den naheliegenden Häfen, so auch im Thyssen-Werkshafen Schwelgern. Am 10. Februar war es soweit - der Rhein stand. Und zwar so ziemlich auf kompletter Länge, also nicht nur am Nieder-, sondern auch am Oberrhein sorgte das Eis für ein komplettes Chaos.

Kinder und Ausflügler strömten zu Hunderten aus dem gesamten Ruhrgebiet an den Rhein, um sich das Schauspiel aus der Nähe anzusehen. Denn ihre Generation hatte so ein Spektakel noch nie erlebt. Wohl aus den Geschichten der Eltern und Großeltern war zu hören, dass auf dem Rhein öfter in den vergangenen Jahrhunderten Eis trieb. So schön dieser Anblick wohl immer gewesen ist, so gefährlich war es für die Anwohner auch, denn nach den meisten Eisgängen kam das Wasser. 1784 richtete der Abgang des Eises große Schäden an. Bei dem durch Eisgang im Jahre 1809 überschwemmte Land verlor gar die 17-jährige Johanna Sebus bei der Rettung ihrer Mutter und einer Ziege ihr Leben. Aus Cleve kam das junge Mädchen.

1838 vermeldete der Niederrhein einen strengen Winter, erst kam das Eis, dann das Hochwasser, das ganz Rees innerhalb von nur 40 Minuten unter sich verschwinden ließ. Auch 1861, 1870, 1871 und 1879 war laut alten Zeitungsberichten der Rhein zugefroren. Dann aber wurden die Winter milder, erst 1917 gefror der Fluss wieder einmal, so dass man mit Wagen und Pferd hinübersetzen konnte. Als sich das Eis damals in Bewegung setzte, staute es sich auf gut einen Meter Dicke.

Nichts im Vergleich zum Winter 1929. Meterhoch türmte sich das Eis zwischen Orsoy und Wesel auf, stellenweise sogar bis zu sechs Meter. Bis auf den Rheingrund setzte sich das Eis fest - nichts ging mehr. Wirklich nichts? Die Zahl der Schaulustigen an den Ufern des zugefrorenen Rheins wuchs ständig an, sogar warme Würstchen soll es für die Gäste am Ufer und auf dem Rhein gegeben haben. Ein Autofahrer versuchte mit seinem Wagen den Rhein zu überqueren - er blieb allerdings stecken, mit Pferd und Wagen ging es besser. Ja, in Götterswickerhamm hatten es sich sogar einige Einwohner zum Skatspielen auf dem Rhein gemütlich gemacht.

Auch hatte man versucht, mit Sprengungen den Rhein befahrbar zu machen. Erst am Oberrhein, was jedoch die Gefahr für den Niederrhein erhöhte, denn das Eis von dort war weiter den Rhein hinuntergetrieben und staute sich nun auch in Walsum, Götterswickerhamm, Mehrum, Löhnen, Spellen und brachte die Einwohner hier in nicht ungefährliche Situationen. So entschloss man sich auch hier, dem Eis mit Gewalt zu Leibe zu rücken. In der Gegend von Mehrum detonierten die Sprengladungen. Doch der Rhein rührte sich nicht von der Stelle, das Eis war lediglich umgeschichtet worden.

Am 7. März 1929 machte sich das Eis dann selbst auf den Weg, der Rhein hatte sich aus eigener Kraft befreit und blieb auch für Jahrzehnte eisfrei.

(big)
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