Unsere Woche Eine Thema, das sich nicht für schnelle Urteile eignet

Dinslaken · Warum die Unterbringung von Flüchtlingen in Dinslaken bislang weitgehend geräuschlos vor sich gegangen ist. Und warum jede Entscheidung bei diesem Thema immer auch die Gefahr birgt, sich als falsch zu erweisen.

Was für Deppen, könnte man sagen. Da bauen sie auf einem Grundstück, das ihnen nicht gehört, Häuser für Flüchtlinge, lassen außer Acht, dass in der Causa auch der Denkmalschutz ein wichtiges Wörtchen mitzureden hat, und stehen jetzt wie die begossenen Pudel da, die der Stadt möglicherweise einen Millionenverlust eingebrockt haben. Und dann bräuchte man nur noch darüber streiten, wer in diesem Fall die Oberdeppen stellt - Politik oder Verwaltung. Aber Vorsicht. Das Thema taugt nicht für schnelle Urteile.

In Dinslaken ist die Unterbringung von Flüchtlingen - auch auf dem Höhepunkt des Zustroms - unaufgeregt und ohne größere öffentliche Proteste, geschweige denn Schlimmerem, über die Bühne gegangen. Das hat die Stadt bislang wohltuend von manch anderer Kommune unterschieden. Politik und Verwaltung haben unter hohem Druck schnell und entschlossen gehandelt, und sie hatten und haben mit dem Caritasverband einen Partner, der kompetent und mit gar nicht hoch genug einzuschätzendem Einsatz seiner Mitarbeiter, die Dinge pragmatisch in die Hand genommen hat und immer noch nimmt. Und Dinslaken hatte das Glück, dass die Stadt über Strukturen verfügte, die es anderenorts eben so nicht gab. Die Stadt musste keine Turnhallen belegen, um des Andrangs Herr zu werden. Die Fliehburg bot Unterbringungsmöglichkeiten, die sich recht zügig ausbauen ließen. Dass dort Fremde in größerer Zahl leben, waren die Dinslakener gewohnt. Und auch das ist eine Ursache dafür, dass es bislang keine größeren Probleme mit Flüchtlingen in dieser Stadt gab.

Dass es nun angesichts sinkender Flüchtlingszahlen und unbelegter Plätze in den Unterkünften eine Diskussion darüber gibt, ob noch weitere Häuser für Flüchtlinge gebaut werden sollen, ist durchaus nachvollziehbar. Nur braucht auch diese Diskussion Augenmaß und einen kühlen Kopf. Die Fragen, die bedacht sein wollen, sind kompliziert und die Antworten in einigen Fällen spekulativ. Zurzeit sind nach Angaben des Flüchtlingswerks weltweit rund 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Ob die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland finden, dauerhaft auf dem zurzeit vergleichsweise niedrigem Level bleiben, kann niemand sagen, genauso wenig, wie eine Prognose über die Zahl der Flüchtlinge, die noch nach Dinslaken kommen und dort untergebracht werden müssen, jedweder Seriosität entbehrte. Was also soll Politik tun, wenn sie vorbereitet sein will? Die Dinslakener Politik hat den Bau weiterer Unterkünfte beschlossen, weil sie nicht mehr so unter Druck kommen wollte wie 2015. Ist sie damit über das Ziel hinausgeschossen? Wer will das ernsthaft beurteilen? Andererseits geben vermeintliche oder tatsächliche Überkapazitäten der Stadt die Chance, die Art der Unterbringung zu entzerren. Wenn all zu viele Menschen auf engem Raum zusammengepfercht werden, sind über kurz oder lang Probleme unvermeidbar. Ist es sinnvoll, wie es die Dinslakener Politik überlegt, dazu überzugehen, einen Teil der Flüchtlingsunterkünfte als Familienwohnungen zu gestalten oder verfestigen sich damit Hemmnisse für die Integration, weil die besser gelingen könnte, wenn die Geflüchteten dezentral über die Stadt verteilt werden, was in Dinslaken ja in durchaus nennenswertem Umfang geschieht? Andererseits muss die Politik auch sehr darauf achten, dass sie bei Letzterem den Bogen nicht überspannt. In Dinslaken mangelt es an bezahlbarem Wohnraum und nichts wäre fataler, als dass Wohnungssuche zu einem Verteilungskampf zwischen Flüchtlingen und Einheimischen ausartete, in dem letztere sich ob nun zu Recht oder zu Unrecht benachteiligt fühlten. Das Problem ist also enorm vielschichtig und nur eines scheint sicher. Jede Antwort, die gegeben wird, kann sich über kurz oder lang als falsch erweisen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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