Unsere Woche Eine vertrackte Aufgabe für Dinslakens Schulpolitiker

Dinslaken · Warum man mit Dinslakens Politik fast Mitleid haben könnte - allerdings nur ein ganz kleines bisschen.

Es wird Sie jetzt vielleicht überraschen, das ausgerechnet an dieser Stelle zu lesen: Manchmal könnte man fast Mitleid haben mit den Politikern. Ja, ehrlich - wenn auch nur ein ganz kleines bisschen. In diesem Fall mit den Dinslakenern. Die müssen nämlich eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung darüber, wie sich die Schullandschaft in dieser Stadt entwickeln soll. Und egal, was sie entscheiden, sie werden sich Ärger einhandeln. In dem einen Fall mehr, in dem anderen Fall weniger, auf jeden Fall aber so viel, dass es weh tun wird.

Worum's geht? Es gibt ein Schulgutachten, das attestiert der ganz großen Mehrheit der Politik - und bei diesem Blick zurück ist es dann auch mit jedem Anflug von Mitleid ganz schnell wieder vorbei - dass sie - vorsichtig formuliert - ein veritables Chaos angerichtet hat. Sie hat vor vier Jahren in großer Hast beschlossen, eine Sekundarschule zu gründen, hat in diese Schule viele Millionen Euro gesteckt und muss sich nun vom Gutachter sagen lassen, dass diese Schule keine Zukunft hat. Wer allerdings gehofft hat, dass der Gutachter jetzt den Weg weist, das angerichtete Chaos in geordnete Bahnen zu lenken, der wird enttäuscht. Denn der Gutachter vergrößert das Chaos nur noch. An der Zustandsbeschreibung, die er abliefert, lässt sich wenig herummäkeln. Dann aber kommt's. Der Gutachter hat vier Lösungsmöglichkeiten erarbeitet - eine, wie er selbst erklärt, zukunftssichere und drei andere. Dumm nur, dass der Gutachter dann erklärt, dass sich seiner Ansicht nach die zukunftssichere politisch nicht durchsetzen lässt und dass er deswegen eine andere empfiehlt. Mit dieser Empfehlung aber könnte er die Politik auf einen Holzweg führen, der mindestens im gleichen Maß vor dem Abgrund endet, wie der, auf den sich die Politik von der Schuldezernentin hat locken lassen, als sie die Gründung der Sekundarschule beschlossen hat.

Der Gutachter empfiehlt, die Sekundarschule, die in allen seinen vier Lösungsmöglichkeiten nicht mehr vorkommt, und das Gymnasium in Hiesfeld zu schließen, die Realschule zu erhalten und die Ernst-Barlach-Gesamtschule (EBGS) auf mindestens acht Züge zu erweitern. Letzteres würde, darauf haben Eltern, Lehrer und Schüler der EBGS in dieser Woche mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten hingewiesen, zu einer erheblichen Schwächung der Leistungsfähigkeit dieser Schule führen. Das kann und darf niemand wollen.

Die Lösung, die der Gutachter selbst als die zukunftssicherste ausgemacht hat - die Gründung einer zweiten Gesamtschule am Standort des Hiesfelder Schulzentrums beinhaltet aber, dass dort dann nicht nur das Gymnasium, sondern auch die Realschule geschlossen werden müsste. Die aber, das belegen die Anmeldezahlen deutlich, erfreut sich größter Beliebtheit bei den Eltern. Die Politik müsste sich also auf erheblichen Widerstand einstellen. Bei einem realistischen Blick auf die Schulpolitik diese Landes der vergangenen Jahre muss sie allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass das gegliederte Schulsystem ein Auslaufmodell ist. Die Zukunft gehört dem Zwei-Säulen-Modell. Das heißt vom gegliederten Schulsystem bleiben nur die Gymnasien übrig, und daneben gibt es das integrierte System der Gesamtschulen. Das kann man bedauern, man kann diese Entwicklung sogar für falsch halten, nur es spricht nichts dafür, dass sie umkehrbar ist. Im Übrigen auch deswegen, weil offenbar ein großer Teil der Eltern genau diese Entwicklung wünscht.

Was heißt das jetzt für die Dinslakener Schulpolitik? Sie kann die eben beschriebenen Realitäten zur Kenntnis nehmen, für eine zweite Gesamtschule entscheiden und sich richtig Ärger einhalten. Sie kann sich aber auch für die vom Gutachter empfohlene Lösung entscheiden und sich dabei - schließlich würde dies immerhin noch das Aus für die Sekundarschule und das Hiesfelder Gymnasium bedeuten - etwas weniger Ärger einhandeln. Die Politik dürfte dann allerdings in vier oder fünf Jahren die Debatte um die Realschule erneut führen müssen. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Sie hätte die heute gut funktionierende Ernst-Barlach-Gesamtschule deutlich geschwächt.

Die Politik könnte natürlich auch der Versuchung erliegen, erstmal gar nichts zu entscheiden. Das wäre jedenfalls klüger, als falsch zu entscheiden, wird aber nur für eine sehr begrenzte Zeit funktionieren. Und vor allem: Eltern und Schüler dieser Stadt haben das Recht so zügig wie möglich zu erfahren, wohin die Reise gehen soll.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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