Dinslaken Erinnerung an den "schlimmsten Tag"

Dinslaken · Zeitzeugin Annemarie Brahm (90) besucht Sonderausstellung zum Kriegsende im Museum Voswinckelshof.

Dinslaken: Erinnerung an den "schlimmsten Tag"
Foto: Lars Fröhlich

"Der 23. März 1945 war der schlimmste Tag in der Geschichte der Stadt. Zum Glück habe ich überlebt, und ich bin dankbar, dass ich so alt geworden bin." Annemarie Brahm ist 90 Jahre alt und steht mit einer kleinen Besuchergruppe im Museum Voswinckelshof vor dem Trümmergrundstück mit Bombenresten, Puppenwagen und großen Schwarz-Weiß-Fotos von zerstörten Straßen.

"Luftkrieg über Dinslaken" heißt die Sonderausstellung, die schon viele Interessierte angelockt hat. Die Aussagen von Museumsleiter Dr. Peter Theißen, der auf Bitte des CDU-Ortsverbands Dinslaken-Mitte fachkundig durch die Ausstellung führt, kann die rüstige Zeitzeugin immer wieder mit persönlichen Erfahrungen ergänzen. 19 Jahre war sie jung, als nachts die Brandbomben auf Dinslaken fielen.

"Wir haben in der Wielandstraße gewohnt. Als der Alarm kam und ich das Trommelfeuer hörte, rannte ich nach draußen. Über dem Walzwerk fielen die Bomben. Um 10 Uhr wurde unser Haus getroffen, ich war am Kopf schwer verletzt, hatte Splitter in Mund und Kinn", erzählt sie. Annemarie Brahm lag anschließend bewusstlos im Flur. "Die Amerikaner haben mich gefunden, meine Mutter erkannte mich am Mantel. Drei Tage fehlen der jungen Frau in ihrer Erinnerung, "vielleicht ist das auch gut so", sagt sie. Ihre Schwester sei bei Lueg im Café durch den Angriff umgekommen, "überall waren Bombentrichter".

Lange habe sie in Düsseldorf im Lazarett gelegen, "einige Opfer hatten kein Kinn oder keine Nase mehr", erinnert sich die gebürtige Weselerin, die 1944 in Hiesfeld ihre Lehre als Hauswirtschafterin abschloss.

"Wir hatten nichts nach der Ausbombung, wurden von Familie Kersken an der Hünxer Straße aufgenommen, 16 Leute in einem Haus, oben wohnten die Amerikaner", blickt sie zurück. Später fand sie auch Quartier bei der Familie Adolf Miebach in Hiesfeld. Die Zeitzeugin zeigt auf dessen Ölgemälde "Kriegstriptychon 23. März 1945", das großformatig in der Ausstellung hängt. In den 1980er Jahren hatte es die Stadt angekauft, bis 1999 hing es vor dem Ratssaal, danach kam es ins Museum. Mit dem Sohn des 1974 verstorbenen Adolf Miebach habe sie noch Kontakt, sagt die 90-Jährige.

Interessiert schaut sie sich mit den anderen Besuchern auch den Rest der Ausstellung an, unzählige Fundstücke, Bild- und Filmdokumente, Hinweistafeln. Annemarie Brahm wird nachdenklich: "Eine schlimme Zeit. Und die müssen Menschen heute auch wieder in Kriegsgebieten mitmachen, zwei Flugstunden von uns entfernt."

(RP)
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