Unsere Woche Es ist wichtig, dass Politik einem Kompass folgt

Dinslaken · Warum es keinen Anlass gibt, die Dinslakener Flüchtlingspolitik zu ändern, warum es aber Gründe genug gibt, auf anderen Politikfeldern kritischer hinzuschauen.

Was für ein wohltuender Gegensatz. Da wählen am Sonntag nicht einmal 21 Prozent von knapp 62 Prozent der Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern die Alternative für Deutschland (AfD), und in der großen Berliner Politik hebt in dieser Woche eine Diskussion um die Flüchtlingspolitik an, die in Teilen geradezu hysterisch geführt wird.

In Dinslaken hat der Sozialausschuss in dieser Woche ein Flüchtlingskonzept beschlossen, und er hat das in großer Einmütigkeit getan. Wie überhaupt in Dinslaken große Einmütigkeit im Umgang mit den Flüchtlingen herrscht. Diese Einmütigkeit speist sich aus einem Grundkonsens, der sich auf einen recht einfachen Nenner bringen lässt: "Tun, was getan werden muss und Menschen, die zu uns gekommen sind, im Rahmen des geltenden Rechts so menschenwürdig behandeln, wie das unseren Wertvorstellungen entspricht."

Nach dieser Maxime zu handeln, heißt nicht, Probleme — die gibt es natürlich und nicht zu knapp — zu verschweigen. Es heißt auch nicht, nicht darum zu streiten, was der richtige Weg ist. Es heißt auch nicht, darauf zu verzichten, die Frage zu stellen, wo Fehler gemacht worden sind und wie sie korrigiert werden können. Es heißt aber, dass die, die so handeln, sich ihrer selbst sicher sind, sich nicht kirre machen lassen von politischen Schaumschlägern, Parolenbrüllern und Phrasendreschern. Es heißt Politik zu machen, die einem Kompass folgt und nicht wild durchs Gelände irrlichtert, auch wenn das Terrain noch so schwierig ist. Dinslakens Politik ist mit dieser Haltung bislang gut gefahren, und sie hat keinerlei Anlass zu grundsätzlichen Kurskorrekturen.

Daran, dass das auf anderen Politikfeldern auch so ist, darf man durchaus zweifeln. Kennen Sie eigentlich diese Figuren aus Comic-Filmen, die mit voller Geschwindigkeit über den Rand des Abgrunds sausen und einfach immer weiterlaufen, bis sie dann nach unten ins Nichts gucken und abstürzen? Komisch, dass einem genau dieses Bild in den Sinn kommt, wenn man sich den Umgang der Dinslakener Politik mit den städtischen Finanzen in den vergangenen Jahren anguckt. Was ist da nicht alles an Investitionen beschlossen worden, derweil das Defizit im städtischen Haushalt immer weiter gewachsen ist. Es kann doch einfach nicht gut gehen, wenn man auf Dauer immer mehr Geld ausgibt, als zur Verfügung steht. So weit, so klar. Auf den zweiten Blick allerdings sind die Dinge schon komplizierter. Natürlich schaffen oder erhalten solche Investitionen Vermögen. Und natürlich ist jeder Euro, der in Bildung investiert wird, gut angelegtes Geld. Und natürlich tut eine jede Stadt gut daran, dafür zu sorgen, dass das Leben in ihr lebenswert ist. Die Reihe der Argumente, warum eine Stadt investieren muss, wenn sie ihre Zukunft sichern will, ließe sich beliebig verlängern. Und so können der Bürgermeister und sein Kämmerer auch durchaus gute Gründe ins Feld führen, wenn sie jetzt durch Dinslakens Stadtteile ziehen und erklären, warum sie die Steuern erhöhen wollen. Es wird allerdings sehr darauf ankommen, wie glaubwürdig sie erklären können, dass tatsächlich alle Sparmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Viel dazu beitragen könnte, wenn sie dabei auch einmal ganz konkret aufzählen würden, auf welche Leistungen die Bürger denn im Fall des Falles wirklich verzichten müssten. Und wer weiß, vielleicht wären die Bürger ja sogar dazu bereit.

Eines trägt jedenfalls auch nicht zur Glaubwürdigkeit bei. Ja, es stimmt, das Land und noch mehr der Bund verlangen den Kommunen Leistungen ab, ohne diese zu finanzieren. Sie gefährden damit die Kommunale Selbstverwaltung. Dennoch, diese ewige Geschimpfe der Kommunalpolitik auf die "da oben" ist doch einfach nur heuchlerisch, jedenfalls so lange, wie dieselben Kommunalpolitiker im nächsten Bundestagswahlkampf für die da oben aus den eigenen Reihen, die doch den Mist seit Jahren verzapfen, in die Bütt steigen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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