Dinslaken Feuriger Mondspaziergang

Dinslaken · Abtauchen in die Siebziger. Nostalgie tanken mit der Musik von Pink Floyd. Das Fantastival machte es möglich. Die Tribute Band Us & Them nahm das Publikum auf eine dreistündige Reise in die Vergangenheit mit.

Es ist die Sehnsucht nach Nostalgie, die die Menschen in solche Konzerte zieht. Ihr Wunsch, in Erinnerungen zu schwelgen, sich für ein paar Stunden zu fühlen wie damals, als die Haare lang und die Röcke kurz waren, als Musik noch auf große schwarze Scheiben aus Vinyl gepresst wurde, die sich Langspielplatten nannten, der Eintritt für ein Pink-Floyd-Konzert 17 Mark kostete und ein durch die Westfalenhalle fliegendes Riesen-Schwein als ultimative Show-Sensation gefeiert wurde.

Die Pink-Floyd-Tribute-Band "Us & Them" kennt dieses Verlangen. Die acht Musiker wissen, was geschieht, wenn von der Bühne der Trockeneisnebel wabert, Stroboskop-Blitze zucken und durch einen Teppich von Spärenklängen vier Gitarrentöne schneiden, die das Funkeln jenes Rockdiamanten ankündigen, mit denen Floyd-Gitarrist David Gilmour dem britischen Quartett vor 35 Jahren ein Denkmal gesetzt hat. Für die Besucher im Burgtheater ist das Intro von "Shine on You crazy Diamond" ein Signal: Die Reise beginnt. Drei Stunden wird sie dauern und bis tief in die 70-er Jahre führen. Die Generation 50 plus hat die alten T-Shirts aus dem Schrank gekramt. Die mit dem Prisma-Motiv von "The Dark Side Of The Moon". Auch das mit den geflügelten Schweinchen aus der "Animals"-Ära fällt auf.

Hart am Original

Us & Them musizieren hart am Original. Die Band zelebriert den schwülen, melancholischen, zugleich immer auch ein wenig schwülstigen psychedelischen Sound der britischen Bombast-Rocker mit Liebe und Treue zum Detail. Die erste Stunde gehört der Erkundung der dunklen Seite des Mondes. Das düstere Tongemälde von 1973 gilt nicht nur wegen seiner experimentellen Überleitungen zwischen den Songs für jede Liveband als Herausforderung. Us & Them meistern die Übung. Sie zitieren das Original, ohne es zu übersetzen und punkten zugleich mit eigenen Akzenten. Klackernde Slotmaschinen, dumpfer Herzschlag, Uhrenticken, Donnergrollen – alles da, alles fein eingewoben in Songs, die auch dank ihrer multimedialen Aufbereitung auf der Bühne zum Mythos geworden sind.

Us & Them geizen nicht mit Effekten. Viel rotierendes Licht, viel Projektion. Auf der Leinwand erblickt der Zuschauer barfüßige Männer, die wehenden Haares über Wiesen tanzen und Gitarren, die in Bächen schwimmen. George Bush taucht auf, Gregor Gysi huscht vorbei. Als "The Wall" eingerissen wird, erscheinen gekreuzte Hämmer, Spritzen, die sich in Unterarme bohren, Feuerwalzen. Plötzlich bläst sich am Bühnenrand ein überlebensgroßer "Teacher" auf. Es ist eine von diesen Puppen, mit denen Pink Floyd – bekannt für ihren Hang zur Gigantomanie – Bühnenshows zu schmücken pflegte. Das Lehrer-Monster begleitet die Mauersongs mit flatternden Brauen. Das Publikum hat Spaß. Der Ausflug in surreale Klangwelten führt zu allen wichtigen Stationen einer Band, die mit ihren Konzeptalben Pop- und Rockgeschichte geschrieben hat. So etwas kann dauern. Zumal Us & Them, die leider ohne ihren Saxofonisten auftreten, auch die Zeit nicht ausspart, als Sänger und Bassist Roger Waters Pink Floyd längst verlassen hatte. Die Besucher freut's. Sie genießen das Gänsehautfeeling, schwenken begeistert bunte Leuchtstäbchen, klatschen, wenn Sänger Thomas Holthausen sie lobt ("Ihr hört Euch an wie im Wembley Stadion"), staunen, wie Gitarrist Michel Kern den Gilmour gibt.

Blitze, Nebel, Flammen

Als nach "Whish You were here" eine energisch vibrierende Basssaite das hypnotische "One of these Days" von 1971 ankündigt, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Es ist die dritte Zugabe, und die schreit nach echtem Feuer. Zwei Pyroartisten, die zuvor mit ihren artigen Kabinettstückchen kaum aufgefallen waren, lassen in atemberaubenden Tempo Feuerräder kreisen. Flammenkeulen schleudern durch die Nacht. Auf der Bühne zucken Blitze. Die Nebelmaschine gibt alles. Das ist Pink Floyd für Auge und Ohr. Ganz so, wie es sein soll: alt, nostalgisch und zeitlos schön.

(RP)
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