Dinslaken Hannes Wader - so lang auf dem Weg

Dinslaken · Der Liedermacher blickt in der Aula des Gustav-Heinemann-Schulzentrums auf vergangene Zeiten zurück und erklärt, warum so manches alte Lied zu seinem Leben gehört.

 Hannes Wader präsentierte seine bekanntesten Songe in der ausverkauften GHZ-Aula in Hiesfeld.

Hannes Wader präsentierte seine bekanntesten Songe in der ausverkauften GHZ-Aula in Hiesfeld.

Foto: Heiko Kempken

Hannes Wader. Kaum hier auf der Bühne der ausverkauften Aula im Hiesfelder Gustav-Heinemann-Schulzentrum (GHZ), schon dort, wo er sich selbst in die Reihe derer einreihte, deren Lieder Volkslieder wurden. Wader eröffnet sein Konzert mit "Heute hier, morgen dort" und stellt eines seiner berühmtesten Stücke damit gleichsam als Titelmelodie an den Anfang der folgenden zwei Stunden. Das Lied erzählt vom Sänger mit der Gitarre auf Tour. Von der Veränderung um ihn herum, wenn nichts bleibt, wie es war, aber auch von Flüchtigkeit und der Hoffnung, vielleicht doch dem einen oder anderen im Sinn zu bleiben. Wader schrieb das Lied als junger Mann. Jetzt, jenseits der 70, erhält "Heute hier, morgen dort" eine Bedeutungsebene, die zum Tragboden des kompletten Konzertprogramms wurde: Die Reise durchs Leben. Nicht zufällig sang der Liedermacher "Bin auf meinem Weg schon so lang" als Zugabe.

Das Leben als Reise. Erinnerungen an die Partys der Jugend. Im Pub zwischen Limmerick und Tippanary, wo das Bier dunkel und dickflüssig in Strömen floss und selbst Nonnen auf dem Tisch deftige Lieder sangen. Aber auch an die Nacht in der Absteige in Oregon. "Das Hotel zur langen Dämmerung" ist eine halluzinierte Metapher des Lebens mit starken Bildern. Verbitterter Greis oder junger Mensch, der noch Lieder in sich trägt und dem Pestatem der Welt verschließen kann? Wieder steht Wader irgendwo dazwischen. Und vielleicht gerade deshalb so vielen über Jahrzehnte so nah.

Wader, der politische. 1968 habe er Zähne vor dem Springerhochhaus verloren, singt er. Ein Kind der Unterschicht, zu der er nicht zurück wolle, aber deren Menschen ihm nahe stünden und für die er sich einsetze, "denn Herkunft wird dir immer an den Hacken kleben". So richtig zuhause habe er sich nirgendwo gefühlt. "Heute hier, morgen dort." Aber wenn 62 Männer so viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung "dann spricht aus mir das blanke Entsetzen" leitet Wader "Trotz alledem" ein. Seine gesungene Forderung "ein Sozialismus muss her, aber nicht wie es der alte war" wird mit Zwischenapplaus begrüßt. Wader stellt sich auf die Seite der "Traumtänzer", wirft Politikern wie Experten vor, nur zu reden und nicht zu handeln. Nur warum schweigt er zu rechten Populisten, die unter diejenigen fischen, die gefühlt oder tatsächlich die Benachteiligten der Gesellschaft sind?

Stattdessen schaut Wader an diesem Donnerstagabend zurück. Zu seinen Liedermacherkollegen des Spätbarocks, zu Silcher und Herder, dessen "Ännchen von Tharau" er singt. "So manches alte Lied gehört zu meinem Leben", denn: "Die alten Lieder selbst sind jung". Sind jung und bleiben es. Unveränderlich und universell gültig. Weil Menschen sich ändern, aber nicht der Mensch. "Sag mir wo die Blumen sind" stimmt Wader zum Schluss an - jeder kann es mitsingen.

Lieder leben weiter, Menschen nicht. Hannes Wader singt vom Sterben. Das aktuellste Lied des Abends. Im Oktober starb sein langjähriger Weggefährte Werner Lämmerhirt. Ein Raunen geht durch den Saal. Viele erfahren erst in diesem Moment vom Tod des Gitarristen, der auch in Dinslaken Konzerte gegeben hat. Doch so ist es vielleicht persönlicher, wie im Gespräch unter Bekannten. "Bin kaum da, muss ich fort".

Hannes Wader bleibt. Nimmt sich noch lange Zeit für die Fans. "Bis zum nächstem Mal in Dinslaken", rief er zuvor in den ausverkauften Saal. "Heute hier, morgen dort". Immer wieder und begleitet von Ovationen im Stehen.

(RP)
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