Dinslaken nach dem Fall Philip B. Jugendarbeit gegen radikalen Salafismus

Dinslaken · Der Dinslakener Philip B. soll an dem Selbstmordanschlag im Irak beteiligt gewesen sein, bei dem am vergangenen Mittwoch mindestens 20 Menschen starben. Was kann eine Stadt tun, um zu verhindern, dass junge Menschen ins radikale Millieu abrutschen? In Dinslaken verfolgt man mehrere Ansätze. Und ist am Ende manchmal trotzdem hilflos.

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Foto: dapd, Mohammad Hannon

Die Stadt ist nicht nur, aber vor allem auch im Stadtteil Lohberg in der Jugendarbeit aktiv. Seit einigen Jahren gibt es in hier eine salafistische Szene, darum hat die Stadt diesen Schwerpunkt gesetzt. Für die Präventionsarbeit gibt es laut Stadtsprecher Thomas Pieperhoff zwei Zielgruppen: Zum einen die Jugendlichen selbst, zum anderen ihre Eltern. Für die Jugendlichen gibt es ein Jugendzentrum in Trägerschaft der Caritas, der Kinderschutzbund ist mit Streetworkern unterwegs und auch die Stadt ist mit zwei speziell geschulten Sozialpädagogen regelmäßig vor Ort.

"SOS" bei Gefahr der Radikalisierung

Als Erfolgsgeschichte gilt das Projekt "SOS", das seine Räumlichkeiten in der alten Johannes-Schule in Lohberg hat. Die drei Buchstaben stehen für "Sauberkeit, Ordnung und Service", und die Jugendlichen, die hier zusammenkommen, bringen sich aktiv in das öffentliche Leben des Stadtteils ein. Sie bekommen regelmäßig Aufträge von der Stadt und sind zum Beispiel beim Kulturfest "Extraschicht" jedes Jahr als ehrenamtliche Helfer mit dabei.

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Foto: afp, FETHI BELAID

SOS wird von den jungen Lohbergern gut angenommen - nicht zuletzt deshalb, weil der Leiter von SOS, Fatih Yildiz, einer von ihnen ist. Eine weitere Besonderheit von SOS ist, dass die Jugendlichen hier auch mit Aussteigern sprechen können, die sich vom radikalen Salafismus abgewandt haben. "Sie können dabei helfen, die Versprechen des Salafismus zu entzaubern", sagt Pieperhoff.

In den genannten Angeboten treffen sich Jugendliche im Alter zwischen 12 und 20 Jahren, so Pieperhoff. Hier finden sie Freizeitbeschäftigungen, aber auch Hilfe bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle oder einem Job. "Wir wollen den Jugendlichen Selbstwertgefühl und eine Perspektive für die Zukunft vermitteln", erklärt Pieperhoff. Dahinter steckt die Hoffnung, dass junge Menschen mit beruflicher Perspektive weniger gefährdet sind, auf die schiefe Bahn zu geraten.

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Wichtig: Die Zusammenarbeit mit den türkischen Verbänden

Stadtsprecher Pieperhoff begrüßt außerdem das Engagement der türkischen Gemeinschaft im Stadtteil. Vertreter der Moscheevereine haben zugesagt, sich verstärkt um die Jugendlichen in den muslimischen Familien, die ihnen angehören, zu kümmern. Die Vereine sind vor allem auch ein Anlaufpunkt für die Eltern, die sich nur selten an städtische Ansprechparnter wenden, wenn sie merken, dass ihnen ihr Kind entgleitet. Die Hemmschwelle, überhaupt mit jemandem darüber zu sprechen, sei groß, - die Hemmschwelle, mit einem Vertreter der eigenen Gemeinschaft zu sprechen, immerhin etwas geringer, so Pieperhoff.

Die Stadt Dinslaken will ihre Jugendarbeit weiter ausbauen. Derzeit läuft eine Bewerbung für das NRW-Programm "Wegweiser", ein Präventionsprogramm gegen gewaltbereiten Salafismus des Landes Nordrhein-Westfalen. Durch die zum 1. Juli verhängte Haushaltssperre liegt die Bewerbung im Moment allerdings auf Eis. Im Oktober wird es eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema radikaler Salafismus geben, in dessen Folge die Stadt einen Arbeitskreis gründen will. Es gibt einen "direkten Draht" zu Polizei und Staatsschutz.

Der Staatsschutz hat noch nicht bestätigt, dass es sich bei dem Selbstmordattentäter im Irak tatsächlich um Philip B. handelt. Sicher dagegen ist: Der 27-Jährige hat an keiner der genannten Präventionsmaßnahmen teilgenommen. "Philip B. kam nicht aus Lohberg, sondern aus der Dinslakener Innenstadt", sagt Pieperhoff. Er hat sich, so die Vermutung der Polizei, im Stillen radikalisiert, und dann den Kontakt zu anderen radikalen Salafisten aufgenommen. Dass junge Dinslakener in den Bann der Salafisten geraten, kann auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. "Auch die beste Drogenprophylaxe kann nicht verhindern, dass es jemanden gibt, der sich den goldenen Schuss setzt", so Pieperhoff. Ein plakativer Vergleich, der zeigt: Trotz engagierter Präventionsarbeit steht am Ende manchmal Hilflosigkeit.

(lsa)
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