Reportage Am Montag Mit dem Bus von Ort zu Ort

Dinslaken · Am Niederrhein ist der Bus das verbindende Verkehrsmittel. Doch der Kreis Wesel will das Angebot einkürzen. Wie stark werden hier diese Fahrzeuge eigentlich genutzt? Unsere Autorin ist eingestiegen und losgefahren - fünf Stunden, vier Linien.

 Die fast leere Linie 86 auf dem Weg nach Wittenberg - kein seltener Anblick.

Die fast leere Linie 86 auf dem Weg nach Wittenberg - kein seltener Anblick.

Foto: Marlen Keß

Dinslaken/Voerde Die erste Fahrt geht vom Weseler Bahnhof in Richtung Voerde, Linie 81. Mit mir steigen am Bahnhof gerade einmal zehn Fahrgäste ein. Die Hälfte von ihnen ist über 70 Jahre alt. An den ersten Stationen steigt niemand aus oder ein. Wir schaukeln über den Wesel-Datteln-Kanal nach Friedrichsfeld. Hier hält der Bus das erste Mal. Aus Versehen, wie sich herausstellt. Erst an der Haltestelle Siedlung steigen die ersten aus. Da sind wir schon mehr als eine Viertelstunde unterwegs.

Meine Busfahrt ist ein Experiment. Ich wohne in Düsseldorf, hier gibt es außer dem Bus noch viele andere Möglichkeiten der städtischen Fortbewegung: Tram, Stadtbahn, S-Bahn. Anders sieht es am Niederrhein aus: Der Bus ist das verbindende Verkehrsmittel. Die Niag-Busse sieht man von Kleve bis Duisburg, von Geldern bis Wesel. Jetzt soll das Angebot teils drastisch gekürzt werden. Wie sehen das die Fahrgäste und wie viele Menschen nutzen die Busse eigentlich?

 Der Fahrplan der 81 von Voerde Rathaus. Pro Stunde fährt ein Bus der Linie.

Der Fahrplan der 81 von Voerde Rathaus. Pro Stunde fährt ein Bus der Linie.

Foto: Marlen Keß

Voll besetzt war keiner der Busse, mit denen ich gefahren bin. Die meisten Fahrgäste habe ich mit 25 in einem Bus der Linie 918 gezählt, vom Bahnhof Dinslaken zum Rathaus Voerde. Bis jemand zu- oder ausstieg, hat es auch auf dieser Fahrt gedauert. Die meisten Passagiere scheinen die Busse eher für längere Strecken zu nutzen. Viele bleiben lange sitzen.

So wie Ilona Biek. Die 60-Jährige fährt jeden Tag mit dem Bus zur Arbeit, morgens hin, nachmittags zurück. "Ich bin zufrieden mit dem Angebot", sagt sie. Biek nutzt die Linien 82 und 86. Erst geht es mit der 82 zum Weseler Bahnhof, dann weiter mit der 86. Ich sitze bereits in der 82, die vom Industriegebiet Im Buttendicksfeld über Fusternberg nach Wesel fährt, als Ilona Biek zusteigt. Sie ist einer von neun Fahrgästen.

 In diesem Bus der Linie 81 war ich minutenlang der einzige Fahrgast. Als ich ausstieg, fuhr er leer weiter.

In diesem Bus der Linie 81 war ich minutenlang der einzige Fahrgast. Als ich ausstieg, fuhr er leer weiter.

Foto: Kess

Im Buttendicksfeld habe ich knapp eine Viertelstunde gewartet. Die Linie 86 hat mich hierhergebracht, am Großen Markt in Wesel bin ich eingestiegen. Zu Beginn sitzen acht Fahrgäste im Bus, die ersten drei steigen nach etwa fünf Minuten aus. Offenbar wollen die älteren Damen mit ihren Einkaufstaschen zum Aldi-Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Am Bahnhof in Wesel steigen ein paar Leute zu. Auf einem Bildschirm im Bus läuft Werbung für das Car-Sharing-Angebot der Niag. Wir fahren durch ein Wohngebiet, in dem einige Fahrgäste aussteigen, und verlassen das Weseler Innenstadtgebiet mit drei Fahrgästen an Bord.

Anschließend geht es durch Obrighoven, ohne ein einziges Mal anzuhalten. An der Rudolf-Diesel-Straße steigt eine junge Frau aus, zu zweit fahren wir bis zur Endhaltestelle. Der andere Fahrgast kommt aus Wesel, ist 26 Jahre alt und fährt regelmäßig Bus, "Schon ok" findet er das Angebot: "Viel weniger sollte es aber nicht sein." Im Buttendicksfeld pausiert der Fahrer, wenige Minuten später kommt ein Kollege mit dem Bus der Linie 82 angefahren. Bevor es weitergeht, ist Zeit für ein kurzes Gespräch am Busfenster. Beide beklagen sich über die enge Taktung. "Da darf echt nichts schiefgehen, sonst schaffe ich meine Touren nicht", sagt einer.

Kurz darauf nehme ich die 82. Zwei Fahrgäste sind wir diesmal. Auf dem Weg nach Wesel steigen fünf dazu. Nur wenige von ihnen kaufen sich ein Ticket beim Busfahrer, die meisten haben offenbar Monats- oder Jahreskarten. Das war in allen Bussen so, viele Passagiere nutzen Abotickets. So auch eine 82-jährige Passagierin, die auf dem Weg zu einer Freundin ist. Sie hat ein Monatsticket - und hält nichts von den Streichungsplänen der Niag. Sie würde das Angebot eher noch ausbauen. "Oft kommen die Busse nur einmal in der Stunde", klagt sie, "da steigen viele aufs Auto um." In der Linie 81, die vom Voerder Rathaus nach Friedrichsfeld fährt, sitzen außer uns zwei andere Fahrgäste.

Zuvor habe ich am Rathausplatz knapp 20 Minuten gewartet. Eigentlich kein Problem - doch das Wartehäuschen ist völlig versifft. Auch an vielen anderen Haltestellen gab es entweder keine Sitz- und Unterstellmöglichkeiten oder sie waren dreckig und vermüllt. Als die Linie 81 kommt, sind wir zu viert im Bus. Frau Möller, zwei kleine Jungs, die auf ihren Smartphones herumspielen, und ich. An der ersten Haltestelle steigt jemand zu, ein älterer Herr mit Einkaufstasche. Danach durchfahren wir Löhnen, Götterswickerhamm und Mehrum, ohne dass der Bus ein einziges Mal anhalten muss. Die Strecke ist idyllisch, es geht kurz am Rhein entlang. Wir passieren Ork. In Spellen steigen dann gleich alle vier anderen Fahrgäste aus. Bis zum Bahnhof Friedrichsfeld bin ich alleine im Bus.

An dieser Station beende ich meine Tour. In fünf Stunden habe ich vier Linien genutzt, bin zwischen Wesel, Voerde, Friedrichsfeld und Dinslaken umhergefahren. Voll besetzt war keiner der Busse, meist waren mit mir unter zehn Fahrgäste unterwegs. Ich nehme den Zug zurück nach Düsseldorf, vom Hauptbahnhof radle ich nach Hause. Und bin doch ein bisschen froh, mich wieder mit dem Fahrrad fortbewegen zu können. Das übrigens sieht man am Niederrhein auch sehr häufig, und immer maximal besetzt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort