Reportage am Montag Mit kalter Nadel zum eigenen Kunstwerk

Dinslaken · Im Museum Voswinckelshof entwarfen die Teilnehmer des Workshop "Kaltnadelradierungen für Einsteiger" eigene Werke.

 Gemeinsam mit Künstler Wilfried Weiß steht Workshopteilnehmerin Lina an der Druckerpresse und hat gerade das erste Bild, eine Landschaft, von der Kunststoffplatte auf Papier gebracht.

Gemeinsam mit Künstler Wilfried Weiß steht Workshopteilnehmerin Lina an der Druckerpresse und hat gerade das erste Bild, eine Landschaft, von der Kunststoffplatte auf Papier gebracht.

Foto: Martin Büttner

Die Cafeteria des Museums Voswinckelshof ist zu einem Atelier samt Druckerei geworden. An den Tischen sitzen die Teilnehmer des Workshops "Kaltnadelradierungen für Einsteiger" über die Tischplatten gebeugt. In ihren Händen: Nadeln, mit denen sie Linien in die Oberfläche der Kunststoffplatten kratzen, die vor ihnen auf den Tischen liegen. Denn genau so funktioniert das Radieren (vom lateinischen "radere", was so viel wie "kratzen", "wegnehmen" oder "entfernen" bedeutet). "Radierungen hat Albrecht Dürer schon vor 500 Jahren gemacht", erzählt Wilfried Weiß, Künstler und Mitglied des Kunstvereins Duisburg. "Radierungen machen heißt, in die Tiefe gehen", erklärt er. Und das machen die Workshop-Teilnehmer mit ihren Nadeln.

Für gewöhnlich würde man mit Kupferplatten arbeiten. "Da Kupfer aber einen relativ hohen Preis hat und wir unseren Workshop-Teilnehmern schnelle Erfolgserlebnisse ermöglichen wollten, arbeiten wir mit Renalon", erklärt Weiß. Das ist ein durchsichtiger Kunststoff, der den Vorteil hat, dass die Workshop-Teilnehmer schon vorhandene Motive "abkupfern" können, indem sie die Platten auf die Drucke legen und mit der Nadel den Linien folgen. Von einem "schnellen Erfolg" zu sprechen ist allerdings nicht ganz zutreffend, denn das Anfertigen einer Radierung ist vor allem eins: Relativ mühevolle Handarbeit, die einiges an Zeit und Konzentration erfordert. So werkeln einige der Workshop-Teilnehmer mehr als eine Stunde an ihren Werken und das führt schon zu Ermüdungen in Fingern und Händen.

Dass sie erfahren, was für eine Mühe es machen kann, Radierungen herzustellen, war einer der Gründe für das Museum, den Workshop zu veranstalten. Denn es gibt im Museum zur Zeit eine Ausstellung von Radierungen und Gemälden von Felix Hollenberg zu sehen. "Hollenberg hat Radierungen von Dürer gesehen und wollte das auch mal ausprobieren", erklärt Museumspädagogin Cordula Hamelmann. Damals war Hollenberg, der in Sterkrade und Hiesfeld aufwuchs, noch ein Jugendlicher und soll dann, der Überlieferung zur Folge, geäußert haben, Radierungen seien eher etwas für Erwachsene. "Er suchte dann aber die Herausforderung auch während seines Studiums und hat am Ende das maßgebliche Fachwerk zu Radierungen geschrieben", berichtet Cordula Hamelmann weiter.

 Künstlerin Marayle Küpper (Mitte) erklärt den Workshopteilnehmern, wie das Drucken der Bilder auf Papier funktioniert.

Künstlerin Marayle Küpper (Mitte) erklärt den Workshopteilnehmern, wie das Drucken der Bilder auf Papier funktioniert.

Foto: Martin Büttner

Nach diesem Lehrbuch von Hollenberg mit dem Titel "Handbuch für Malerradierer - Das Radieren, die Ätzkunst, der Kupferdruck" lernte auch noch Künstlerin Marayle Küpper ihr Handwerk. "Bei Hollenberg fasziniert das Spiel mit den Strichen und den Tiefen. Das werden wir natürlich heute nicht so hinbekommen", sagt die Künstlerin, die ebenfalls zum Kunstverein Duisburg gehört. "Bei Radierungen geht es um ein einfaches Prinzip: Die Linie dominiert das Bild und nicht die Fläche", erläutert Marayle Küpper die Kunst, die eigentlich viel eher ein Handwerk ist, dass viel mit Gravieren zu tun hat - und natürlich auch mit Drucken.

Die Künstlerin schnappt sich ein Panorama der Stadt Dinslaken, an dem Workshop-Teilnehmer Eduard Sachtje gerade arbeitet, für einen Probedruck. "Ich wollte nachvollziehen, was es mit Radierungen auf sich hat und wie die Technik funktioniert", erklärt Sachtje seine Teilnahme am Workshop, während die Künstlerin einen kleinen Klecks schwarzer Farbe auf seine Kunststoffplatte tropft. Mit Gaze streicht sie die Farbe in die Vertiefungen, die Sachtje in die Platte geritzt hat. "Klassisch nimmt man schwarze Farbe oder Sepia", erklärt Marayle Küpper. "Andere Farben gehören eher in den modernen Bereich. Hollenberg wäre zum Beispiel nie auf die Idee gekommen, bunte Farben für den Druck zu verwenden." Daher auch der Name "schwarze Kunst" für diese besondere Technik.

Dann geht es weiter zum Druck. An der Druckerpresse legt Künstlerin Marayle Küpper die mit Farbe versehene Platte auf die Druckplatte. Darauf kommt Papier.

Dann wird das ganze mit Filz bedeckt und Eduard Sachtje muss kurbeln, um das Bild durch die Presse zu befördern. Das Ergebnis: ein schwarzes Panorama der Stadt auf dem Papier. "Das wirkt besser, als ich gedacht hatte. Wenn ich Zuhause noch Platz hätte, würde ich mir mein Erstlingswerk direkt aufhängen", sagt Eduard Sachtje mit einem Augenzwinkern.

So entstehen Bilder von Landschaften, Bäumen, Fischen, aber auch neue Kreationen. Jugendliche Workshopteilnehmer etwa fertigen Pokémon-Bilder. Die fertigen Drucke und die von ihnen gestalten Platten dürfen die Teilnehmer am Ende mit nach Hause nehmen. "Ich bin sicher", sagt Hamelmann, "die Workshop-Teilnehmer werden Radierungen jetzt mit ganz neuen Augen sehen, nachdem sie wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt.

(RP)
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