Interview: Mit Svenja Krämer Neutor-Galerie als Chance begreifen

Dinslaken · Die städtische Wirtschaftsförderin sieht die Innenstadt-Entwicklung als Gemeinschaftsaufgabe an. Vom neuen Einkaufszentrum kann ihrer Ansicht nach auch der ansässige Handel profitieren, wenn er die Herausforderung annimmt.

Richtfest bei der Neutor-Galerie
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Richtfest bei der Neutor-Galerie

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Foto: Martin Büttner

Dinslakens neues Einkaufszentrum Neutor-Galerie nimmt zusehends Gestalt an. Mittlerweile sind bereits über 90 Prozent der insgesamt 22 000 Quadratmeter Handelsfläche vermietet. Im November soll Eröffnung gefeiert werden. Der heimische Einzelhandel sieht diesem Datum sicherlich mit gemischten Gefühlen entgegen. Was müssen die eingesessenen Geschäftsleute tun, um für die Zukunft gerüstet zu sein? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Krämer Handlungsbedarf sehe ich beim klassischen Thema der Kernöffnungszeiten. In den ersten Monaten nach der Eröffnung der Neutor-Galerie werden viele Menschen aus Dinslaken und der Region kommen, die man in den vergangenen Jahren vielleicht als Kunden verloren hat, die nun neugierig sind auf das Einkaufszentrum und die neuen Geschäfte. Sie werden kommen, um hier einzukaufen. Der ansässige Einzelhandel hat die Chance, von neuen Kunden zu profitieren und diese an den Standort Dinslaken zu binden. Geht der Kunde allerdings beispielsweise am Samstag gegen 15 Uhr aus der Neutor-Galerie hinüber auf die Neustraße und die Hälfte der Geschäfte hat dort zu, dann wird er sich überlegen, ob er das noch einmal macht.

Allerdings ist es für die hiesigen Einzelhändler sicherlich nicht leicht, längere Öffnungszeiten anzubieten.

Krämer Ich weiß natürlich, dass es für die Einzelhändler schwierig ist, längere Öffnungszeiten zu gewährleisten, aber die Chance, die sich ihnen bietet, von der Neutor-Galerie zu profitieren, bekommt man nur einmal.

Was sollten die Geschäftsleute tun, um die Attraktivität ihrer Läden zu erhöhen?

Krämer Es ist an der Zeit, dass Geschäftsleute und Immobilieneigentümer investieren. Etliche Eigentümer sind bei Neuvermietungen sensibel genug, dass sie selbst merken, dass sie in ihr Objekt Geld investieren müssen. Gestaltung und Werbung sind nicht die großen Probleme in Dinslaken. Es geht darum, Gemeinschaftsaktionen in Zukunft stärker in den Vordergrund zu stellen. Es wird eine Werbegemeinschaft Neutor-Galerie geben. Das Centermanagement steuert alle Aktionen und stimmt sich mit uns schon jetzt im Vorfeld ab und wird sich auch mit der Werbegemeinschaft Dinslaken abstimmen. Es geht darum, gemeinsame Konzepte zu entwickeln und Aktionen gemeinsam zu bewerben. Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist eine starke Werbegemeinschaft Dinslaken, die gut aufgestellt ist und auf Augenhöhe mit den Profis von der Neutor-Galerie kooperieren kann. Das erfordert starke Persönlichkeiten und eine gewisse Mitgliederanzahl, damit die Innenstadt mitreden und einen Nutzen daraus ziehen kann. Wir müssen das Tempo des Centermanagements, das dafür sorgen wird, dass Leute in die Neutor-Galerie kommen, bleiben und kaufen, mitgehen, aber davon können alle profitieren. Seit langem schon predigen wir, dass die Innenstadt-Entwicklung eine Gemeinschaftsaufgabe von Stadt, Händlern, City-Management und Immobilienbesitzern ist.

Wie sieht es mit der Außendarstellung Dinslakens aus, muss sich da etwas verändern?

Krämer In der Region herrscht immer stärkerer Wettbewerb. Duisburg und das CentrO rüsten auf. Wir müssen in Dinslaken etwas tun, damit Kunden kommen und man Umsatz macht, denn das geschieht nicht mehr so automatisch wie früher. Deshalb müssen wir verstärkt auf Dinslaken als Einzelhandelsstandort hinweisen. Ich glaube, Dinslaken hat gute Voraussetzungen, weil wir alles haben, was Kunden erwarten.

Das wäre?

Krämer Konsumige Angebote in der Neutor-Galerie mit großen Filialisten mit großen Flächen, die wir in der Innenstadt nicht anbieten können. Dann haben wir die Neustraße mit vielen inhabergeführten Geschäften, die viel Service und Beratung bieten. Und wir haben die Altstadt, wo man das Gefühl hat, dass man in Urlaub ist und wo man sich gerne aufhält. Dort gibt es schöne Gastronomieangebote und sehr viele Fachgeschäfte. Das sind Punkte, die ein Kunde erwartet; Punkte, die auch das Profil von Dinslaken ausmachen. Gerade die Altstadt ist ein Pfund, aus dem man noch viel machen kann. Zeigen wir den Menschen all diese Facetten der Stadt, dann bin ich sicher, dass wir die Kunden halten und an den Standort binden können.

Das wird bei einigen Geschäftsleuten sicherlich ein Umdenken erfordern, die Neutor-Galerie weniger als übermächtige Konkurrenz anzusehen, sondern als Chance zur eigenen Weiterentwicklung.

Krämer Das ist kein einfacher Weg und ungewohnt für viele. Etliche Geschäftsleute sorgen sich, wie sich der Standort entwickeln wird mit den neuen Akteuren vor Ort. Deshalb ist es wichtig, sie zu informieren, zu sagen, was passiert, welche Händler in der Neutor-Galerie unterschrieben haben. So kommt Ruhe rein und man nimmt den Besorgten ein Stück die Angst. Unsere größte Herausforderung ist es momentan, Brücken zu bauen und die Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen. Wichtig ist es, dass die hiesigen Einzelhändler den Centermanager kennen lernen, ihm in die Augen schauen können und dann wissen, wer dieser neue Akteur ist.

Es wird befürchtet, dass es in der Dinslakener Innenstadt zu Leerständen kommen wird, weil Geschäfte in die Neutor-Galerie abwandern. Ist diese Furcht gerechtfertigt?

Krämer Abwanderungen gibt es in geringem Umfang - und wir reagieren sofort. Wir nehmen Kontakt zu den Besitzern der Immobilien auf und sehen zu, dass es einen Nachmieter, eine Nachnutzung gibt. Zudem haben wir die Zusage des Bauherrn der Neutor-Galerie, dass die gewachsene Innenstadt nicht zu sehr unter dem Einkaufszentrum leiden soll.

Der stationäre Handel hat es allgemein nicht leicht. Internet und E-Commerce machen ihm zu schaffen. Hat er eine Zukunft?

Krämer Ich glaube, dass das Einkaufserlebnis vor Ort, im realen Leben, einen hohen Stellenwert hat, weil man sich trifft, miteinander plaudert und vielleicht auch noch zusammen essen geht. Gelingt es in Dinslaken, den Branchenmix attraktiv zu machen, haben wir eine gute Ausgangssituation für die nächsten Jahre geschaffen. Bestärkt werden wir in diesem Optimismus dadurch, dass die Projekt- und Immobilienentwickler den Standort Dinslaken im Fokus haben. Ein Düsseldorfer Projektentwickler hat eine ganz bestimmte Immobilie in der City im Auge und will sie erwerben, wenn der Besitzer verkaufsbereit ist.

Was soll dort geschehen?

Krämer Geplant ist, diese Immobilie als Einzelhandelsstandort über zwei Etagen zu revitalisieren. Dieses Interesse zeigt uns, dass der Standort Dinslaken gut ist, weil viele an die Entwicklung der Neutor-Galerie glauben.

Der hiesige Einzelhandel muss die Neutor-Galerie als Herausforderung ansehen, sie annehmen und für sich das Beste daraus machen.

Krämer Ja. Wir dürfen hier nicht in Schockstarre geraten und womöglich noch den eigenen Standort schlecht reden. Für die Einzelhändler geht es auch darum, an sich selbst zu glauben und ihr Geschäft für die Zukunft gut aufzustellen. Viele sind bereits gut aufgestellt und können mit dem punkten, was sie schon jetzt bieten: Service und Breite des Angebots.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE HEINZ SCHILD

(RP)
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