Dinslaken/Düsseldorf Nils D. schildert Folterpraktiken vor Gericht

Dinslaken/Düsseldorf · An Stangen aufgehängte Gefangene, Stockhiebe, Schreie: Der geständige Islamist Nils D. aus Dinslaken hat gestern Einblick in eine Folterkammer der Terrormiliz Islamischer Staat gewährt.

Der mutmaßliche IS-Terrorist Nils D. hat vor Gericht über die Folterpraktiken der Terrormiliz Islamischer Staat berichtet. In einem Raum eines IS-Gefängnisses seien 20 Gefangene stundenlang an ihren auf den Rücken gefesselten Armen aufgehängt gewesen, sagte der 25-jährige Syrien-Rückkehrer am gestrigen Freitag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Der Gefängnischef habe sie mit einem Stock geschlagen.

Außerdem seien Gefangene aufrecht in enge Kästen gesperrt worden, die nur Luftschlitze hatten. "Wie ein Spind waren die", sagte der Angeklagte. Die ständigen Schreie habe man bis ins Nachbarhaus gehört, wo er sich meist aufgehalten habe. Das Gefängnis sei völlig überfüllt gewesen. Er habe die Leute festgenommen und zum Gefängnis gebracht. Dabei sei er vermummt gewesen. Frauen und Kinder hätten bei Festnahmen von "Verdächtigen" geschrien und geweint, wenn er die Männerabgeführt habe. Die Frauen seien regelmäßig "umgekippt". Er habe das als übertrieben empfunden und gelacht, sagte der Angeklagte. Die Kinder, die nach ihrem Papa riefen, hätten ihm dagegen Leid getan. Manchen der Verhafteten sei lediglich unislamisches Verhalten vorgeworfen worden. Ein- bis zweimal im Monat seien Menschen auf dem Marktplatz hingerichtet worden. Er habe etwa zehn Hinrichtungen mitbekommen, sagte der Angeklagte. Einzelne Opfer seien mit einem Schwert von einem vermummten Henker, einem Tunesier, geköpft und anschließend ans Kreuz genagelt worden. An der Hauptstraße seien sie dann für einige Tage aufgestellt worden.

Der Marktplatz sei immer voll gewesen, und die Zuschauer hätten "Allahu akbar" (Gott ist groß) gejubelt - "ich auch", fügte D. hinzu. Obwohl er bereits entschlossen gewesen sei, Syrien zu verlassen, habe er den Treueschwur auf den IS abgelegt. Andernfalls hätte er seinen Angaben zufolge selbst seine Enthauptung riskiert: "Wer dem Kalifen nicht die Treue schwört, ist der Feind."

Das 25-jährige Mitglied der sogenannten Lohberger Brigade muss sich seit Mittwoch vor Gericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, in dem Bürgerkriegsland einer IS-Spezialeinheit angehört zu haben. Er soll Spione und Deserteure mit Waffengewalt festgenommen und in Gefängnisse des IS gebracht haben. In anderen Verfahren gegen Islamisten in Deutschland trat der geständige Angeklagte nach seiner Rückkehr als für die Ermittler wertvoller Zeuge auf.

Der Mann aus Dinslaken ist als Kleinkrimineller mehrfach vorbestraft und saß sechs Monate wegen Einbruchs und Diebstahls im Gefängnis. Zuvor war er wegen Drogenhandels zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Nach seinem Hauptschulabschluss hatte er eine Berufsausbildung abgebrochen und sich 2011 dem Islam zugewandt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation.

(DPA)
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