Interview Öffnung statt Abgrenzung

Dinslaken · Friedhelm Waldhausen, Superintendent des Kirchenkreises Dinslaken, blickt auf das Lutherjahr zurück.

(FORTSETzung von Seite C 1)

Reformation ist somit auch Transformation, es wird etwas übertragen, weitergetragen, neu gemacht. Im Reformationsjahr wurde nicht nur zurückgeblickt, sondern auch die Zukunft in den Blick genommen. Eine Fragestellung war dabei: Was kann man gemeinsam unternehmen?

Waldhausen Die gemeinsame Nutzung von Kirchengebäuden ist dafür nur ein Beispiel. Ein anderes ist die Selbstverständlichkeit im Religionsunterricht. Inzwischen ist es gesetzlich geregelt, dass an der Grundschule ein verantworteter kooperativer Religionsunterricht stattfinden kann und soll. Dieser ist auch ein Ergebnis der neueren Entwicklungen. Dann ist da noch der Bereich des sozialen Handels. Caritas und Diakonie sprechen sich miteinander ab, welche Arbeitsbereiche da sind, wer Beratung wo macht, wer konkrete Einrichtungen wo unterhält. Da ist manchmal sicherlich ein gutes Konkurrenzdenken hilfreich, aber im Prinzip sind die ethischen Grundlagen vorgegeben - als Theologe sagt man, durch "den Geist Jesu Christi". Das hört sich für die Welt manchmal ein bisschen weltfremd an. Aber das ist für uns eine ganz realistische Bezeichnung, denn das ist das, was wir in uns tragen und womit wir dem Menschen begegnen. Da sehe ich keinen Unterschied, ob es sich um einen katholischen Christen oder einen evangelischen handelt.

Glauben Sie, dass es gelungen ist, durch das Reformationsjubiläum auch Menschen zu erreichen und ein bisschen einzubinden, die der Kirche nicht ganz so nahe stehen?

Waldhausen Also zumindest haben einzelne Veranstaltungen, die in der Öffentlichkeit stattfanden, wach machen können für bestimmte Dinge, wofür Kirche steht und wovon Kirche sich wegentwickelt hat durch die Reformation. Der große Begriff von Martin Luther, aber auch den anderen Reformatoren ist der Begriff Freiheit, gebunden an das Wort Gottes. Und das gibt mir die Berechtigung, kritisch auf Dinge zu gucken und mich nicht unter eine Ordnung zu stellen, die menschenunwürdig ist und die mich klein hält. Unser christlicher Gott ist ein Gott der Freiheit und einer, der Grenzen grundsätzlich nicht anerkennt. Selbst die Grenze des Todes, das drückt das Kreuz aus, ist überschritten. Das gibt uns die Kraft, kritisch mit Dingen umzugehen und genau hinzusehen. Auch da spielt katholisch oder evangelisch keine Rolle, sondern der Geist Jesu Christi.

Was ist nach dem Jubiläumsjahr für die Zukunft angedacht, was sollte fortgeführt werden?

Waldhausen Dieser Freiheitsgedanke, den ich gerade erwähnt habe, der sich im Leben der Gemeinde ausdrückt, da wünsche ich mir, dass er sich fortsetzen kann und dass er gelebt wird. Dass wir Christinnen und Christen uns über unsere Bedeutung weiter für diese Gesellschaft und für uns persönlich im Klaren sind. Und dass sich diese Haltung in konkreten Aktionen ausdrückt. Was heutzutage ja selbstverständlich ist, sind ökumenische Gemeindefeste, ökumenische Trauungen, auch ein Eintreten für weniger verkaufsoffene Sonntage - da kann man unterschiedlich drüber diskutieren. Auch das ist eine Position, die in der evangelischen und katholischen Kirche präsent ist. Es gibt sicherlich gute Gründe zu sagen, wir veranstalten verkaufsoffene Sonntage. Doch ist das eine Position, die die Kirche mit zu unterstützen hat oder ist es eher die Aufgabe der Kirche, mit darauf zu achten, dass die Menschen doch einen Tag der Ruhe haben? Das sind Sachen, die sind nicht mehr strittig zwischen den Kirchen. Ich hoffe, dass das weitergeht und dafür Grundlagen gelegt wurden. Dass man sich gegenseitig mit Offenheit begegnet, das war das ganz große Thema. Die evangelischen Christen haben nicht den Versuch unternommen, sich nochmals in Abgrenzung zu den Katholiken zu positionieren, sondern sich - sehr bewusst - geöffnet. Diese Öffnung ist auch angenommen worden.

Die Ökumene wird im evangelischen Kirchenkreis und im Dekanat Dinslaken seit vielen Jahren gelebt. Das Reformationsjahr hat also dazu beigetragen, die Ökumene zu stärken.

Waldhausen Ich glaube ja, das würde ich eindeutig so sagen. Hier wird umkompliziert Ökumene gelebt. Ich glaube, dass nochmals eine Untermauerung des Unkomplizierten mit dem Reformationsjahr stattgefunden hat. Aber damit ist auch die Aufgabe verbunden, dranzubleiben, das läuft nicht so ganz selbstverständlich. Man muss die Punkte immer wieder im Einzelnen bearbeiten. Wenn es um die gemeinsamen Nutzung von Gemeindehäusern geht und wie man dies hinbekommt, dann ist das Arbeit, organisatorisch und auch inhaltlich. Aber dafür haben wir die Basis gelegt. Im Jubiläumsjahr ist nicht die große Umwälzung geschehen, aber die Selbstverständlichkeit ist ein Stück klarer rausgearbeitet worden. Auf dieser Basis können wir gut weitermachen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE HEINZ SCHILD

(RP)
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