Dinslaken Petros Markaris rechnet mit der Krise ab

Dinslaken · Der griechische Krimiautor las im ausverkauften CaLouBa als erster Gast der neuen Reihe "Literatur vis-a-vis".

 Der griechische Schriftsteller Petros Markaris (r.) stellte in der Cafe'-Lounge-Bar am Altmarkt den dritten Teil seiner Krisen-Trilogie vor – ein Krimi, in dem die Hellenen unter anderem die Rückkehr der Drachme feiern.

Der griechische Schriftsteller Petros Markaris (r.) stellte in der Cafe'-Lounge-Bar am Altmarkt den dritten Teil seiner Krisen-Trilogie vor – ein Krimi, in dem die Hellenen unter anderem die Rückkehr der Drachme feiern.

Foto: Martin BÜttner

Manche Menschen verdienen mit der Krise Geld und werden dafür gehasst. Bei Petros Markaris ist das anders. Er ist einer der erfolgreichsten Autoren Griechenlands. Krimifans lieben seine Bücher. Und sie lieben den schrulligen Athener Kommissar Kostas Charitos, der fast immer tagesaktuell ermittelt. Mal zwischen den Bauruinen der Olympischen Sommerspiele, mal in der Halbwelten der Müllmafia. Die letzten drei Fälle spielen in einem Land, das die Krise lahm gelegt hat. Mit seinem Roman "Abrechnung" war der 77-Jährige erster Gast der neuen Literatur-Reihe "vis-a-vis" in der CaLouBa am Altmarkt. Buchhändlerin Brigitte Korn freute sich auf einen gelungenen Auftakt vor ausverkauftem Hause.

Es war ein kurzweiliger und lehrreicher Abend. Markaris servierte den Zuhörern zunächst ein paar Leichen, die Rückkehr der Drachme und ein wenig Privates aus dem Leben des Kommissars, der am liebsten gefüllte Tomaten isst (wie nur seine Frau Adriani sie zubereitet), griechischen Mokka trinkt und in einem alten Seat durch die verstopften Straßen Athens rumpelt.

Markaris spricht perfekt deutsch. Das hat er auf einem deutschen Gymnasium in Istanbul und danach beim Ökonomie-Studium in Wien gelernt. Aus dem Deutschen übersetzte er Dürrenmatt, Brecht und zuletzt Faust I und II. "Die 2111 Verse haben mich fünf Jahre meines Lebens und zwei Kriminalromane gekostet", verriet er den Zuhörern. Dann kündigte er an, dass er noch einen weiteren "Krisen-Krimi" schreiben wolle. Nachdem er die Banker, die Steuerhinterzieher und aktuell die Generation der ehemaligen Studenten des Athener Polytechnikums, die gegen die Junta gekämpft haben, in den Mittelpunkt einer Geschichte gestellt habe, werde er seinen Epilog auf die Krise den einfachen Menschen auf der Straße widmen. "Ob sie tatsächlich vorbei ist, wenn der Roman fertig ist, weiß ich nicht", sagte der Autor und trank einen Schluck Wasser. Während der Lesung hatte er das Glas auf dem kleinen Tisch neben sich nicht angerührt. Er hatte keine Hand frei. In der linken hielt der das Buch, mit der rechten gestikulierte er teils heftig, was auch die Blicke einzelner Passanten auf sich zog, die durch die unverhängten Fenster neugierig in das proppenvolle Café blinzelten.

Das Publikum, darunter viele Hellas-Freunde, war nicht nur an den Figuren interessiert, die Markaris mit gewohnt kritischer Stimme und einem ganz speziellen Humor durch ein Land am Abgrund führt. Sie wollten wissen, wie ein Erzähler, der das Schritttempo bevorzugt, die aktuelle politische Lage einschätzt, die Arbeit der Troika beurteilt, wie er zum Thema Korruption steht und die Gefahr eines Erstarkens der Faschisten einschätzt. "Es wird keine Revolution geben", sagte der Autor. "Wo genau Griechenland Ende des Jahres stehen wird, weiß ich nicht." Das Vertrauen in die Menschen hat Petros Markaris nicht verloren. Dem 77-Jährige ist bewusst, dass es in Griechenland immer korrupte Menschen geben wird. Er vertraut gleichzeitig auf die jüngere Generation, hofft, dass es die kleine, begabte Minderheit, von der er sicher ist, dass es sie gibt, schaffen wird, das Land wieder stark zu machen.

Vor anderen Kräften, die in Griechenland immer stärker werden und an Einfluss gewinnen, graut es dem Autor. Als von einem Zuhörer die Frage kommt, wie er den Einfluss der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" (Chrysi Avgi) beurteile, redete Markaris Klartext. Der Großteil der Führungsspitze der Partei sitze zwar in Untersuchungshaft. Dennoch habe Chrysi Avgi enormen Zulauf, liege aktuell bei sieben Prozent. "Optimistisch bin ich nicht. Was ich da sehe, gefällt mir überhaupt nicht. Und wenn ich an die Europawahl denke, ist mir angst und bange." Eine ehrliche Antwort. Die Zuhörer bedankten sich mit kräftigem Applaus — und Petros Markaris mit einer kleinen Signierstunde.

Donnerstag, 22. Mai, ist Werner Seuken zu Gast bei "Literatur vis-a-vis". Passend zur Europawahl wird er einen leidenschaftlichen Europäer vorstellen: Romain Rolland und seinen Roman "Pierre und Luce".

(RP)
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