Sind Pferde keine Nutztiere?

Genau um diese Frage dreht sich eine Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof. Sollte sie durchkommen, würde der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Aktuell fällt für Pferde ein reduzierter Satz von sieben Prozent an. Auswirkungen noch nicht abzusehen.

Noch ist keine Entscheidung gefallen. Doch sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einer Forderung der EU-Kommission zustimmen, so dürfte dies ein richtungweisendes Urteil für den Pferdesport bedeuten. Die EU-Kommission hatte moniert, dass etliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter Deutschland, Pferde bislang mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent taxiert haben. Dieser gilt aber üblicherweise nur für Nutztiere. Sollte der EuGH der Klage stattgeben, würden fortan die üblichen 19 Prozent fällig. Und genau dies ist die Kernfrage, die vor dem EuGH geklärt werden muss: Sind Pferde Nutztiere?

Nur 9500 Pferde geschlachtet

Für Christina Skoeries, Pressesprecherin des Reit- und Fahrvereins Hünxe, ist die Situation grundsätzlich klar: "Rolle und Funktion eines Pferdes haben sich in den letzten 100 Jahren ganz klar verändert. Selbst in der Nachkriegszeit nutzten gerade in den ländlichen Gebieten viele Menschen die Pferde als Transportmittel sowie als Arbeitshilfe. Das gibt es heute nur noch selten." Eine weitere Statistik spricht für Skoeries' Annahme: Im vergangenen Jahr wurden lediglich 9500 der rund eine Million deutschen Pferde geschlachtet. Trotzdem werden Pferde aber als Nutztiere gezählt, wie etwa Kühe, und nicht als Luxusartikel, als Freund des Menschen, wie etwa Hunde.

Noch nicht abzusehen sind die Folgen, die das Urteil nach sich ziehen würde – weder für Spitzensportler, noch für Anfänger oder Vereine. Skoeries vermutet allerdings, dass der erhöhte Steuersatz vor allem Auswirkungen auf Anfänger hätte. "Da überlegt man sich sicher eher, ob man von einer Beteiligung auf ein eigenes Pferd geht, wenn man sich nicht sicher ist, ob es sich um den Sport fürs Leben handelt", sagt Skoeries, schränkt aber direkt ein: "Man darf aber nicht vergessen: Im ,kleinen' Amateurbereich sind die Unterhaltskosten für ein Pferd ohnehin höher als der Anschaffungswert." Im Profibereich sieht Skoeries hingegen kaum Probleme. "Die meisten Reiter der Spitzenklasse haben ohnehin Sponsoren, nur die wenigsten Spitzenpferde gehören ihnen selbst." Somit bleibt einzig der Nachwuchs das "Sorgenkind" Skoeries'.

Fast überhaupt nicht betroffen ist hingegen der frühere Dressur-Weltmeister Johann Hinnemann mit seinem Krüsterhof in Voerde. "Diese Verhandlung betrifft in erster Linie den Handel. Wir sind aber ein Pensions- und Ausbildungsbetrieb, da liegen wir mit unseren Leistungen ohnehin bei 19 Prozent." Und verkauft Hinnemann doch einmal ein Pferd, dann meist an ausländische Kunden – "und da fallen auch wieder 19 Prozent an".

Argumente sind dürftig

An höchster Stelle scheint die Sorge dennoch groß zu sein. So hat sich die FN, die Deutsche Reiterliche Vereinigung, mit den Zucht- und Sportverbänden zusammengeschlossen, um das Problem auf EU-Basis zu lösen. Allerdings dürfte auch dieses "Triumvirat" schlechte Karten haben, denn die Argumente sind dürftig. So lautete das Urteil von Experten seit vielen Jahren, dass einzig die Pferdelobby in Deutschland eine Erhöhung des Steuersatzes verhinderte. Somit dürfte die Erhöhung des Steuersatzes durch die FN höchstens aufgeschoben, nicht aber aufgehoben werden – es sei denn, der Sauerbraten mit der Zutat Pferd erfreut sich ab sofort wieder deutlich erhöhter Beliebtheit.

(RP)
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