Voerde Steag weg, Arbeitsplätze weg

Voerde · Viele Voerder können sich die Stadt ohne das Kraftwerk kaum vorstellen. Sie bedauern den Verlust der Arbeitsplätze. Dass das Aus weniger Dreck bedeutet, ist nur ein kleiner Trost.

 Voerde ohne die Steag - für viele Menschen hier ist das unvorstellbar. Das Werk prägt die Stadt seit mehr als 40 Jahren.

Voerde ohne die Steag - für viele Menschen hier ist das unvorstellbar. Das Werk prägt die Stadt seit mehr als 40 Jahren.

Foto: Lars Fröhlich

Wie ein Weichzeichner umgibt der Novembernebel gestern den Kühlturm der Steag. Zu sehen ist er trotzdem vom kleinen Möllener Einkaufszentrum, Auf dem Bünder. Gefühlt war die Steag immer da. Das Werk gehört zu Voerde, gehört zum Stadtbild, ist eines der am häufigsten fotografierten Motive der Stadt. Es ist Fluch und Segen zugleich, es bringt Emissionen und Arbeitsplätze. "Brachte" muss es bald aber heißen, denn die Steag schließt. Voerde ohne Steag - das können sich viele dort nicht mehr vorstellen. Wir haben einige Menschen in Möllen gefragt.

Cornelia Daum (42) etwa ist fast so alt wie das Kraftwerk. "Ich bin mit der Steag aufgewachsen, die war immer da", sagt sie. Ihrer Mutter Renate Busian gehört der kleine Backshop Auf dem Bünder, im Schatten des Kühlturms. "Als die Steag gebaut wurde, war ich schwanger", erinnert sie sich und zwinkert ihrer Tochter zu. Ihre eigenen Eltern hätten damals kurz zuvor an der Rahmstraße ein Haus gekauft - und sich danach geärgert. "Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir anderswo gebaut", das hätten sie damals gesagt.

Eine Zeit lang profitierte der Backshop von dem Werk. "Ganze Abteilungen haben Brötchen bestellt", erinnert sich Renate Busian, die das Frühstück dann eilig zubereitete und zum Werkstor brachte. Ist ja nicht weit. Heute kommen viele Rentner in den Backshop, genießen Kaffee und Pläuschchen. An der Wand hängen Fotos vom zehnjährigen Bestehen der Stube. "Wir haben viele Stammkunden", sagt die Chefin stolz. Werner Stenhorst etwa. "Weniger Dreck" bedeute das Aus der Steag für Voerde, sagt er knapp über seine Kaffeetasse hinweg. Natürlich auch weniger Arbeitsplätze, fügt er bedauernd hinzu.

Paul Bours kennt einige Leute, die bei der Steag arbeiten, schon seit vielen Jahren, auch einen, der Meister ist. "Die ganzen Arbeitsplätze sind weg", sagt er kopfschüttelnd. "Die müssten das erhalten, eigentlich."

Auch die 81-jährige Dame, die mit dem Rollator auf dem Weg zur Sparkasse ist, kann sich Möllen ohne die Steag nicht vorstellen. "Ich kenne jeden Winkel des Werks," verrät sie, "ich habe dort 20 Jahre geputzt."

Putzen - dieses Stichwort kommt auch Bettina Klapiec in dem Zusammenhang in den Sinn. Der Staub auf den Fenstern und Fensterbänken sei "schon viel", meint sie, "alles so weißes Zeug". Dennoch: Für die Menschen, die ihren Job verlieren, tut es ihr leid. Und schließlich habe man ja auch viel ins Werk investiert.

Heinz Boß hat damals den Aufbau des Werks begleitet. Der Vorsitzende des Heimatvereins Voerde war Ratsherr der SPD, erinnert sich noch gut an die Klärschlammverbrennung, die die Steag einrichten wollte. Sie hätte für das Kraftwerk zusätzlich eine Filter-Anlage gebracht, die alles gefiltert hätte. Auch als Pintsch-Betriebsratsvorsitzender hatte er damals viel mit dem Steag-Betriebsrat zu tun. Das Aus für das Werk "bedeutet eine ganze Menge für Voerde", bedauert er und erinnert auch an die vielen Zuliefer-Betriebe. Nun müsse man abwarten, was nach dem Rückbau mit dem Gelände geschehe. Wohnbebauung oder Industrie? Boß möchte sich nicht entscheiden: "Kommt vielleicht auf die Industrie an." Wieder so ein zweischneidiges Schwert.

(RP)
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