Dinslaken Viel Applaus für ein starkes Stück

Dinslaken · Die Burghofbühne begeistert mit der Premiere von "lost in the supermarket". Die drei Darsteller überzeugen.

 Lale (Julia Sylvester) und Jorn (Patric Welzbacher) in einer Szene des Stücks.

Lale (Julia Sylvester) und Jorn (Patric Welzbacher) in einer Szene des Stücks.

Foto: Burghofbühne

"Bist du gerne jugendlich?" projiziert der Beamer-Strahl auf die Rückwand der mannshohen Kiste auf der sonst völlig leeren Bühne in der Remise des Tenterhofs. Gemeint sind nicht die Gesellschaftsideale Aussehen und Auftreten für Erwachsene, sondern das echte Jungsein. Und bevor sicht das Ensemble mit den Sorgen und Hoffungen dreier 17-Jähriger in Christina Ketterings Theaterstück "lost in the supermarket" auseinandersetzt, lässt die Regisseurin und Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters der Burghofbühne die Teenager ihres Jugendclubs zu Wort kommen.

Deren echte Antworten auf die Frage sind erschreckend, decken sich zugleich mit einer aktuellen Studie zur Generation Z: Der Leistungsdruck, nicht zuletzt durch die ständigen Vergleiche mit der virtuellen Welt in den sozialen Medien, hat sich verstärkt, Verplanung, mangelnde echte Kontakte - auch deren verstärkte Wahrnehmung führen zum Vormarsch zu behandelnder psychische Probleme. Doch was ist "verrückt", wenn das "Normale" längst nicht mehr normal ist (oder es zu keiner Zeit wirklich war). Lale (äußerst natürlich: Julia Sylvester) steht mit ihren Gefühlen nicht nur zwischen zwei Jungen, sondern zwischen zwei Grundpositionen.

Jorn (überzeugend arrogant: Patric Welzbacher) kompensiert mangelnde Talente und die entsprechende Geringschätzung seiner Eltern durch Ehrgeiz und Großspurigkeit. Überstolz auf durchschnittliche Leistungen, hat er sein Lebensziel klar vor Augen: Geld machen. Dass er dafür mit einer kleinen heimischen Marihuana-Plantage übt, von deren Qualität er sich auch gerne persönlich überzeugt, ist gleichsam eine Metapher für den falschen Schein des Konsums. Und doch lässt sich Lale auf Jorn ein. Weil er ihr Sicherheit und Stärke vermittelt. Denn Lale, die die Gesellschaft hinterfragt, muss ihren eigenen Mut noch finden. In wechselnden Kostümen macht sie sich mal zum Affen, mal zum Zombie. Was für sie gesellschaftlicher Protest ist, ist für die Community, die sich die Aktionen überlegt, ein weiterer Spaß, eine Internet-Challenge.

Doch auf der Bühne stehen drei Schubladen für die Generation Z. David (wundervoll sensibel, überzeugend und präsent: Markus Penne) steckt in der engsten. Er ist der Freak. Wird wegen Depressionen behandelt und gemobbt. Nur Lale ist zerrissen zwischen der Angst vor Davids mal verschlossenem, mal unberechenbarem Verhalten und dem Charakter des Jungen, der an der Gesellschaft zu zerbrechen droht. Füller und Notizbuch für die eigenen Gedanken statt ein öffentlichen Leben in Facebook, ständig der Blick in die Tiefe, wiederum metaphorisch vom höchsten Dach der Stadt. Lale ist fasziniert, dass jemand anders ist, "tiefer", wie sie es sagt. David dagegen wäre gerne "ein leichter Mensch", er leidet an seiner Krankheit und der gläsernen Wand zwischen ihm und der Welt.

Zum Schluss hat Lale den Mut gefunden, sich für David zu entscheiden. Gemeinsam stillen sie ihr Fernweh und ihre Sehnsucht nach Nähe, während Jorn eine zweite Chance erhält, es im Leben zu etwas zu bringen. Ob die drei es schaffen werden? Das Stück bleibt eine Momentaufnahme.

Viel Applaus für ein starkes Stück vom Premierenabo-Publikum, zu dem jetzt neu auch ein kompletter Achtklässlerkurs des OHG gehört.

(bes)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort