Heimat entdecken in Dinslaken Vom Kohleabbau zum Kunstbetrieb

Dinslaken · Aus dem ehemaligen Zechenstandort Lohberg ist mittlerweile die Heimat vieler kreativer Köpfe der Stadt geworden. Künstlerin Walburga Schild-Griesbeck war eine der ersten Kreativen, die es in den Schatten des Förderturms zog.

Heimat entdecken in Dinslaken: Vom Kohleabbau zum Kunstbetrieb
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Die Räder des Förderturms in Lohberg drehen sich schon lange nicht mehr. Ende 2005 schloss das Bergwerk nach 100 Jahren Kohleförderung. 1905 hatte Unternehmer August Thyssen den Betrieb zur Kohleversorgung seines Stahlwerks in der Stadt gegründet, und am Ende hatte die Politik das Ende des Abbaus unter Tage in Dinslaken beschlossen. 2008 gab die Stadt gemeinsam mit der RAG die Gebäude der ehemaligen Zeche für eine Zwischennutzung frei. "Ich suchte damals nach einem Standort für ein Atelier und kannte das Thema Zwischennutzung schon", erzählt Walburga Schild-Griesbeck. Von den Vorurteilen, die mancher Dinslakener über den Stadtteil mit Zeche und Gartenstadt hatte, wusste sie damals nichts. "Für mich war das ein völlig neutraler Ort", sagt sie.

Oder vielleicht nicht ganz neutral. Denn ihr Ehemann Peter Griesbeck war früher selbst im Bergbau beschäftigt. Heute schafft er selbst Kunstwerke, meistens aus einigen Artefakten, die sich auf dem Gelände noch finden lassen: Kohlestücke, Kohlenstaub, verrostete Metallstücke. Doch als Walburga Schild-Griesbeck sich 2008 in den Räumen der ehemaligen Lohn- und Lichthalle ihre erstes Atelier einrichtete, begegnete sie noch skeptischen Blicken. "Einige Bergleute waren noch hier im Gebäude und schauten dann immer mal vorbei", erzählt die Künstlerin. Erst wurde die Kunst kritisch beäugt, aber das wandelte sich schnell, nachdem die Bergleute wussten, dass der Ehemann der Künstlerin früher auch unter Tage gewesen ist. "Sie schauten dann immer nach dem Rechten und haben auf mich aufgepasst", erzählt Walburga Schild-Griesbeck.

So kam zum Beispiel ein Bergmann vorbei, als die Künstlerin gerade die Decke ihres neuen Ateliers streichen wollte. "Die bekommst du niemals weiß. Da ist alles voller Kohlenstaub", erklärte der Kumpel. Walburga Schild-Griesbeck probierte es trotzdem und der Staub in der mit Löchern versehenen Decke färbte alles gräulich. "Ich habe mir dann gesagt: So sieht die Decke auch schön aus", sagt die Künstlerin mit einem Lachen. Auch vor dem Wasser, das aus den Leitungen ihres Ateliers kam, warnten die Bergleute. Natürlich sei das Trinkwasser und nicht verseucht. Das Problem war ein ganz anderes, wie ihr einer der Bergmänner erklärte: "Das Wasser kommt aus Leitungen, die zur Kaue führten. Da haben sich früher täglich 3000 Leute geduscht. Das steht jetzt in den riesigen Rohren."

Schon ein halbes Jahr nach ihrem Einzug in das provisorische Quartier, mieteten sich Walburga Schild-Griesbeck und ihr Ehemann Peter mit dem Atelier "Freiart" fest auf dem ehemaligen Zechengelände ein. "Seitdem haben wir hier alles, was passiert, hautnah miterlebt", erklärt die Künstlerin. Die Ansiedlung von immer mehr Kreativen vor Ort und die Bauarbeiten auf dem Gelände: In der Zwischenzeit wurden viele Gebäude abgerissen oder renoviert. Nebenan ist mit dem Bergpark ein neuer Raum für Freizeitgestaltung geschaffen worden. Und natürlich fanden auch schon viele Veranstaltung auf dem Gelände statt. Zur "Extraschicht" kommen jährlich Tausende Besucher nach Lohberg, und regelmäßig hat Walburga Schild-Griesbeck auch Gäste in ihrem Atelier.

Hier arbeitet die Künstlerin an ihren Bildern, auch Ehemann Peter wird hier künstlerisch tätig. "Früher habe ich Kohle mit Kohle verdient, heute versuche ich Kohle mit Kunst zu verdienen", ulkt der ausgebildete Bergbauingenieur, der früher als Steiger unter Tage arbeitete. Ehefrau Walburga, die mit ihren abstrakten Farbflächen sonst Leinwände füllt, stellt auch ein besonderes Souvenir in ihrem Atelier her: "Kunst auf Kohle", ein kleines Bild auf einem Kohleblock. "Das Kreativquartier ist mittlerweile eine zweite Heimat für mich", sagt sie. Die andere ist der Niederrhein an sich, so dass sich neben ihren abstrakten Werken auch einige gemalte Kopfweiden auf den Leinwänden im Atelier finden.

Auch wenn sie das heutige Kreativquartier noch als Zechengelände im Kopf hat, geht es einigen Menschen, die nach Lohberg kommen, nicht so. "Ich erlebe es immer häufiger, dass Menschen von weiter weg herkommen und auf der Suche nach dem Bergpark oder dem Kreativquartier sind", erzählt die Künstlerin. "Die staunen oft, wenn sie erfahren, dass hier alles auf einem ehemaligen Zechengelände liegt." Obwohl der Förderturm als Landmarke noch weithin sichtbar ist und auch viele der denkmalgeschützten Gebäude des Standortes noch von dessen Vergangenheit künden. Doch heute locken Kunst und Erholung die Menschen her, und nicht mehr die Arbeit unter Tage.

(fla)
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