Unsere Woche Was Dinslakens Politik von Friedrich Althoff lernen kann

Dinslaken · Bildungspolitik, das lehrt das Beispiel des in Dinslaken geborenen preußischen Bildungsreformers, muss Widerstand aushalten können.

Im Jahr 2014 hat die Stadt den 175. Geburtstag ihres wohl größten Sohnes - Friedrich Althoff, geboren am 19. Februar 1839 in Dinslaken, großer Bildungsreformer Preußens (siehe Kopf der Woche - gefeiert. Und der Bürgermeister war so hin und weg von der Leistung dieses Mannes, dass er Dinslaken am liebsten zur Althoff-Stadt ausgerufen und dessen Namen auf alle Ortsschilder gepinselt hätte. 2015 ist dieser Plan beerdigt worden. Da hat Dr. Michael Heidinger aber Glück gehabt. Wie peinlich wäre das denn gewesen? Da schmückt sich die Stadt mit einem großen Namen, lackiert die Ortsschilder entsprechend um und ein Jahr, nachdem dies geschehen ist, beschließt sie, ausgerechnet die Schule zu schließen, die diesen Namen trägt.

Althoff fände das, was in Dinslakens Schulpolitik passiert ist, vermutlich zum Heulen. Und das obwohl - oder gerade weil - er selbst hinreichend Erfahrungen damit sammeln konnte, was für ein schwieriges Feld die Bildungspolitik sein kann. Um auf diesem Feld bestehen zu können, braucht es schon die Statur, die Beharrlichkeit und vor allem die Weitsicht eines Friedrich Althoff. Von Weitsicht jedenfalls kann in Sachen Dinslakener Schulpolitik nicht die Rede sein. Das macht das Gutachten zur Schulentwicklung deutlich. Das attestiert dem Bürgermeister, seiner Schuldezernentin Christa Jahnke-Horstmann und der Mehrheit der Politik eine krasse Fehleinschätzung. Anders kann man es nicht nennen, wenn ein erfahrener Schulentwicklungsplaner empfiehlt, die Sekundarschule, die erst 2012 das Licht der Welt erblickt hat, schnellstmöglich wieder zu beerdigen. Und sage jetzt niemand, diese Entwicklung hätte niemand kommen sehen können. Warnende Stimmen hat es vor der Entscheidung zur Errichtung einer Sekundarschule genug gegeben. Sie ist ohne Not völlig übereilt und ohne die Dinge konsequent zu Ende zu denken, auf den Weg gebracht worden. Die Verantwortung dafür trägt in erster Linie die Schuldezernentin, die das Ding - auch mit einer "kreativen" Interpretation der Elternbefragung - geradezu durchgepeitscht hat. Der Bürgermeister und die Mehrheit der Politik müssen sich vorwerfen lassen, sie dabei nicht aufgehalten zu haben.

Und jetzt? Der Gutachter sieht vier Lösungsmöglichkeiten und gibt der Politik auch eine Empfehlung mit auf den Weg. Aber was ist das für eine Empfehlung? Der Gutachter bezeichnet einen der von ihm vorgeschlagenen Lösungswege als den zukunftssichersten. Den Vorschlag allerdings empfiehlt er nicht. Warum? Weil er auch gleich mitbedenkt, welchen Widerstand das auslösen könnte. Und natürlich hat er Recht. Aus dem Gustav-Heinemann-Schulzentrum eine zweite Gesamtschule zu machen und das Gymnasium und die Realschule zu schließen, würde ohne Frage zu einem veritablen Aufstand in Dinslaken führen. Und auch die "harmlosere" Variante, nämlich die Realschule zu erhalten, das Gymnasium zu schließen und an seiner Stelle eine neue Gesamtschule zu errichten, würde noch reichlich Protest auslösen. Der, so vermutet der Gutachter offenbar und wohl auch zu Recht, würde gemäßigter ausfallen, wenn die direkte, ideologisch befrachtete Frage Gymnasium oder Gesamtschule am Standort Hiesfeld vermieden werden könnte. Und das bringt ihn zu seinem Vorschlag, auf eine zweite Gesamtschule zu verzichten und stattdessen die bestehende Ernst-Barlach-Gesamtschule (EBGS) zu erweitern. Damit liefert er der Politik eine Vorlage, die diese, so ist zu befürchten, aufnehmen wird. Die Politik würde dann allerdings billigend in Kauf nehmen, dass bei einer solchen Lösung die Gefahr besteht, dass die EGBS zur nicht mehr beherrschbaren Lernfabrik mutiert und ihre anerkannt gute pädagogische Arbeit Schaden nimmt, was ja auch der Gutachter zumindest andeutet.

Sicher, die Politik kann sich dafür entscheiden, die Realschule bestehen zu lassen, auch das Hiesfelder Gymnasium und sogar die Sekundarschule oder sie kann die Schullandschaft noch anders gestalten. Dafür muss sie dann aber gute pädagogische Gründe angeben. Fatal wäre es, wenn sie ihre Entscheidung alleine darauf gründet, welches der Weg des geringsten Widerstands wäre. Bildungspolitik, das lehrt das Beispiel Friedrich Althoffs, muss Widerstand aushalten können, wenn sie Zukunft eröffnen will.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: joerg.werrner@rheinische-post.de

(RP)
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