Dinslaken Wenn Jogis Jungs spielen, ist Kemmerling live dabei

Dinslaken · Der Dinslakener reist zu allen Spielen der deutschen Nationalmannschaft nach Frankreich. Heute fliegt er nach Marseille zur Halbfinal-Partie gegen den Gastgeber.

Während die meisten von uns morgen der deutschen Nationalmannschaft vor dem heimischen Fernseher oder beim Rudelgucken die Daumen drücken, ist Malte Kemmerling vor Ort in Frankreich. Schon wieder. Denn bis auf das Spiel gegen die Ukraine hat der 24-jährige Dinslakener - der früher für die Grünen und jetzt für die Bewegung für nachhaltige Politik (BNP) im Rat der Stadt Dinslaken aktiv ist - alle Spiele von Jogis Jungs live verfolgt. Und ist danach immer schön brav nach Hause gefahren.

Dabei hatte es gar nicht gut angefangen mit dem großen Plan, die Fußball-EM live zu verfolgen. Nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren war für Kemmerling klar, dass er bei der nahen EM dabei sein wollte. Deshalb trat er auch in den offiziellen Fanclub der Nationalmannschaft ein. Denn die Mitglieder haben größere Chance, auf legalem Weg an Tickets zu kommen. Zuerst probierte sich Kemmerling als offizieller Fan bei zwei Qualifikations-Auswärtsspielen. Dass die Deutschen in Irland und Polen nicht einen einzigen Punkt holten, machte Kemmerling im neu erschlossenen Fanclub-Kreis schnell zu einer Art "Anti-Maskottchen". Der Dinslakener und ein anderes Mitglied mit gleichem Schicksal bekamen gar die Beinamen "Pech und Schwefel".

Dem machte Kemmerling später alle Ehre. Auf das große Glück, eine Zuteilung für zwei Vorrundenspiele sowie für alle K.o.-Spiele der deutschen Mannschaft bekommen zu haben, folgte der tiefe Fall: Die Kreditkarte, die der 24-Jährige für den Kauf der Tickets angegeben hatte, wurde gehackt und deshalb durch sein Geldinstitut gesperrt. Eine Änderung der Daten war wegen abgelaufener Fristen nicht möglich, die Ticket-Zuteilung verfiel. "Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, ein Alptraum", erinnert sich der Dinslakener an den großen Frust nach der großen Freude. Doch der Vorsitzende der Fanclub-Sektion, zu der Kemmerling gehört, hatte Mitleid und versprach, den Dinslakener bei verfügbaren Tickets bevorzugt zu behandeln. Und das Versprechen hielt er: Bis auf das eine Vorrundenspiel hat Kemmerling alle Spiele der deutschen Mannschaft gesehen, zusätzlich noch das Spiel Kroatien gegen Portugal ("War zufällig in der Nähe").

Hin und zurück kommt Kemmerling mit vom Fanclub organisierten Bussen, landet dann zumeist mitten in der Nacht irgendwo im Ruhrgebiet. Für Tickets und Busfahrten hat der Fan bislang gut 2000 Euro bezahlt - eine Fußball-EM ist halt etwas Besonderes. Die Stadt Oberhausen, wo er in der Kämmerei arbeitet, zeigt Verständnis für Kemmerlings Passion, ermöglicht flexibel die kurzfristige Inanspruchnahme von Urlaubstagen.

Und wie ist es live bei der EM und drumherum? "Unglaublich toll", sagt der Dinslakener. Wenngleich die Stimmung anfangs durch die Erinnerung an die Anschläge vom November und die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen schon etwas gedrückt war, findet er. Bisherige Höhepunkte: Das nervenaufreibende Viertelfinale gegen Italien (er saß hinter dem Tor, allerdings nicht das "Elfmeter-Tor") und die tolle Begegnung mit den irischen Fans, mit denen man friedlich, ausgelassen und auf die schönste Art das Fußballfest gefeiert und gesungen habe.

Heute steigt Kemmerling ins Flugzeug nach Marseille, er hat eine Karte für das Halbfinale. "Ich freue mich schon sehr auf das Stade Velodrome", sagt der Fußball-Fan, der bereits mehr als 150 Stadien von innen gesehen hat (und darüber eine Liste führt). Sein Tipp: "2 zu 1 für Deutschland durch Tore von Müller und Götze". In Marseille macht der Dinslakener anschließend ein paar Tage Urlaub, reist dann - wenn alles gut geht - zum Endspiel nach Paris. Eine Karte hat er noch nicht. Aber da hat er schon höhere Hürden genommen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort