Voerde Wenn Lehrer für ihre Schüler spielen

Voerde · Das klassische Konzert am Gymnasium Voerde bestritten dieses Mal Musiker aus den eigenen Reihen.

 Jörg Detmold, Lehrer für Deutsch, Philosophie und Altgriechisch und darüber hinaus für seine Theaterinszenierungen bekannt, am Flügel.

Jörg Detmold, Lehrer für Deutsch, Philosophie und Altgriechisch und darüber hinaus für seine Theaterinszenierungen bekannt, am Flügel.

Foto: Lars Fröhlich

Seine Lehrer in der Schule vor sich zu haben und dann einfach nur die Musik zu genießen, gehört wahrscheinlich eher in den Bereich der Tagträumereien zwischen der großen und der kleinen Pause. Am Freitag wurde diese Vorstellung zur abendlichen Stunde in der Aula des Gymnasiums Voerde allerdings Realität. Die Schüler konnten sich auf den gepolsterten Stühlen zurücklehnen, die Lehrer boten ein Programm. Ohne anschließend Fragen zu stellen, aber doch nicht so ganz ohne Wissensvermittlung. Denn die Stücke, die auf dem Programm des Konzertes mit dem Titel "Lehrwerk" standen, boten nicht nur Einblicke in musikalische Epochen, Formen und Stile, sie waren zum Teil für sich selbst Unterrichtsmaterial. Verfasst von großen Komponisten für deren Schüler.

Aber bevor es mit Johann Sebastian Bach gleich an die Spitze des kompositorischen Schaffens ging, galoppierten die ersten Klänge nach Wild-West-Manier von der Bühne in den Saal. Benedikt Blome spielt Euphonium und ließ die Töne des Blechblasinstrumentes zu Vizzettis "Cowboy Dance" und "Bozza nova" tanzen.

Robert Kamlage ist Musiklehrer am Gymnasium Voerde, er hat das Klavierspiel studiert. Und so gehörte er sozusagen zur Zielgruppe von Aram Khatschaturian. Der Komponist des populären "Säbeltanzes" komponierte 1959 eine Sonatine speziell für seine Schüler am renommierten Moskauer Konservatorium. Ein Stück übrigens, in dem er nicht nur in gewohnter Manier die Tasten peitschen lässt, sondern auch avantgardistische, geradezu jazzige Rhythmen verwendet. Das alles ganz sowjetisch-korrekt mit Volksmelodien gespickt: er hat seinen Schülern wirklich viel beigebracht.

Robert Schumann brauchte nicht mit doppelten Böden komponieren. Er traf den Ton seiner Zeit. Die musikalischen Miniaturen der "Kinderszenen", die Kamlage mit viel Ausdruck der feurigen und rasanten Sonatine folgen ließ, beschwören nicht einfach nur Erinnerungen, sie zeugen von der "Entdeckung" der Kindheit im 19. Jahrhundert, in dem Pädagogen, Autoren und mit Schumann eben auch ein Musiker sich mit der Psyche von Kindern auseinanderzusetzen begannen. Zu den "Kinderszenen" gehört nicht nur die berühmte "Träumerei", in deren langsam gespieltem Motiv Kamlage bewusst Platz für Stille zwischen den Klängen ließ, und das wilde "Ritter vom Steckenpferd", sondern auch "Fürchtenmachen": das erste Thema langsam, vertrauend tastend, das zweite plötzlich hereinbrechend und davon rennend.

Béla Bartók hat sich von Schumanns Miniaturen inspirieren lassen. Also her mit der Hommage. Bartók mit seinen strengen, komplexen Strukturen liegt Jörg M. Detmold, der am Gymnasium Deutsch, Philosophie und Altgriechisch unterrichtet und darüber hinaus für seine Theaterinszenierungen bekannt ist.

Er war es dann auch, der sich am Freitagabend an das Cembalo-Werk von Bach wagte. Dieser schrieb Inventionen in verschiedenen Tonarten und drei Fugen für die Ausbildung seines Sohns Wilhelm Friedemann, überarbeitete sie mehrfach, bis sie zu jenen Stücken des Barocks gehörten, deren Motorik beim Spiel nicht das geringste Zögern oder Nachdenken erlauben: man fliegt wie bei einem Fahrfehler in der Formel 1 sofort aus der Kurve. Dazu kommen die komplexen Stimmführungen und nicht zu vergessen die filigrane Schönheit der Themen: wie tief Detmold diese durchdrungen hat, wurde in seinem Spiel deutlich.

Karen Schneider unterrichtete am Gymnasium Voerde, bis sie vor zwei Jahren Schulleiterin des Konrad Duden Gymnasiums Wesel wurde. Am Freitag begleitete sie die Violinistin Kate Hildebrandt, Mitglied der Bremer Symphoniker, auf dem Violoncello. Mozarts Duo G-Dur KV 423 ist nicht für einen Schüler geschrieben, sondern gleichzeitig für einen Freund und einen "Feind". Nicht zum ersten Mal half Mozart Michael Haydn bei einer Auftragsarbeit für den Erzbischof Colloredo. Und schrieb er dem ungeliebten Hobby-Geiger im ersten Satz noch Passagen, die so unwirsch klangen wie man sich den Charakter Colloredos vorstellt, ließ sich Mozart im zweiten und vor allem im dritten Satz wieder ganz von seiner inneren Musik leiten und Kate Hildebrandt machte den "verkappten Mozart" mit perfekter Intonation zu einem Genuss.

(bes)
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