Unsere Woche Wirklich kein Grund für Groscheks Wahlkampfgetöse

Dinslaken · Warum der Spatenstich für den Bau des dritten Betuwe-Gleises nun wahrlich nicht von einer politischen Erfolgsgeschichte kündet.

Ach ja, der Herr Groschek. Für die Dinslakener ist er gewissermaßen ein guter, alter Bekannter. Schließlich hat dieser Michael aus Oberhausen, von Genossen gern auch kumpelhaft Mike genannt, sie als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Oberhausen/Dinslaken bereits als Landtags- und als Bundestagsabgeordneter vertreten. Damals war er noch Generalsekretär der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten. Inzwischen ist er zwar nicht mehr im Bundestag, dafür aber Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen und als solcher hat er gestern in Oberhausen den ersten Spatenstich zum Bau des dritten Gleises der sogenannten Betuwelinie getan. Und er hat verbal mal wieder so richtig auf den Putz gehauen. Mit der Betuweline, so tönte er, "stärken wir die Position des Landes als Logistikdrehscheibe Nummer eins und als Jobmotor". Nicht nur der Schienenverkehr für Güter und Personen in der Region werde gestärkt, sondern auch die wirtschaftliche Bedeutung von Niederrhein und Ruhrgebiet.

Boah glaubse.

Der Minister ist eindeutig im Wahlkampfmodus, schließlich beherrscht er den als EX-Parteigeneral aus dem Effeff. Und seine Aussagen sind ja auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Angesichts der unsäglichen Betuwe-Geschichte allerdings wären von Politikern - und damit sind ausdrücklich auch andere am Spatenstich Beteiligten - wie der inzwischen vom Kanzleramt ins Bahnmanagement gewechselte Ronald Pofalla gemeint - selbst in Wahlkampfzeiten deutlich leisere Töne angebracht. Denn wenn die Betuwelinie tatsächlich so wichtig ist, müssen sie sich fragen lassen, warum erst jetzt Spatenstich ist.

Zur Erinnerung: 1992 - vor inzwischen fast 25 Jahren - haben die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich der Niederlande den Vertrag von Warnemünde geschlossen. Darin wurde der Neubau der Betuweroute im Nachbarland sowie der dreigleisige Ausbau der deutschen Anschlussstrecke vereinbart. Was ist seitdem geschehen? Königin Beatrix hat am 16. Juni 2007 die neue Strecke in den Niederlanden eröffnet. Zwei Tage später befuhr der erste reguläre Zug die neue Strecke. Und auf deutscher Seite passierte erst einmal nichts. Mit Ausnahme natürlich, dass die Anwohner der Schienenstrecke zwischen Emmerich und Oberhausen seitdem Jahr für Jahr unter dem steigenden Lärm der in immer größerer Zahl über die Gleise rollenden Güterzüge litten. Anders als in den Niederlanden, wo die Politik den berechtigten Interessen der Anwohner an der auch dort wahrlich nicht unumstrittenen Strecke nach Lärmschutz und hinreichenden Sicherheitskonzepten Rechnung trug, mussten die vielen Betuwe-Initiativen auf deutscher Seite Politik und Bahn mühsam jedes kleinste Zugeständnis abtrotzen. Bis heute ist weder der Lärmschutz an allen Abschnitten zufriedenstellend gelöst, noch ein überzeugendes Sicherheitskonzept, wie es etwa die Feuerwehren an der Strecke fordern, beschlossen. Nein, eine politische Erfolgsgeschichte sieht anders aus und schon gar nicht taugt der Betuwe-Spatenstich als Anlass zu Wahlkampfgetöse.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor. joerg.werner@rheinische-post.de

(RP)
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