Dinslaken Wo die Verwaltung Arabisch lernen kann

Dinslaken · Vor 70 Jahren wurde die Volkshochschule im damaligen Kreis Dinslaken gegründet. Rund 15 000 Anmeldungen kann sie inzwischen pro Semester für ihre Angebote verzeichnet.

 Als eine der ersten Volkshochschulen in der Bundesrepublik bot die Dinslakener Studienfahrten an - zum Beispiel 1952 nach Paris.

Als eine der ersten Volkshochschulen in der Bundesrepublik bot die Dinslakener Studienfahrten an - zum Beispiel 1952 nach Paris.

Foto: VHS

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Und auch, wenn den Menschen im zweiten Nachkriegswinter noch so sehr der Magen knurrte, sie wollten wirklich mehr. Als an einem kalten Januarabend 1946 im Saal Oeckinghaus in Lohberg ein Vortrag mit dem Titel "Platons Staatssicht und sein Fortwirken bis in die Gegenwart" angeboten wurde, kamen mehr als 400 Zuhörer. Das ist 70 Jahre her und war die Geburtsstunde der Volkshochschule im damaligen Kreis Dinslaken.

Mit Platon, sagt VHS-Leiter Gerd Drüten, würde er heute keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Aber mit anderen Angeboten schon. Rund 15.000 Anmeldungen verzeichnet die VHS in der Regel. Weil die Volkshochschule mit der Zeit gehe. Direkt nach dem Krieg, so Drüten und sein Stellvertreter Werner Schenzer, sei sie eine Art Volksbildungsanstalt gewesen, heute stehe sie für lebenslanges Lernen mit allen Facetten.

Die Volkshochschule sei kein Elfenbeinturm, sondern stehe mitten im Leben. Stichwort Integration: für das VHS-Team kein Neuland. "Es hat immer Einwanderer gegeben", so Drüten. Vor Jahren wurden Kurse für Einwanderer aus dem Osten gegeben, heute für Menschen, die aus dem Süden kommen und hier Zuflucht suchen. Dabei sind es nicht nur die obligatorischen Integrationskurse für diejenigen, die als Asylbewerber anerkannt worden sind. Sondern auch Sprachkurse für Menschen aus Ländern, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, die aber wahrscheinlich bleiben dürfen und auf diese Weise sofort die Sprache lernen können. Auf der anderen Seite denkt die VHS auch an diejenigen, die mit Flüchtlingen arbeiten.

Im Frühjahrssemester steht ein Kurs "Arabisch für Verwaltungsmitarbeiter" im Programm. Ein bisschen wiederholt sich hier die Geschichte, denn die Englischkurse in den späten 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden vor allem von Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltungen belegt.

Sprachkurse sind nicht die einzige Säule der VHS Dinslaken-Voerde-Hünxe in Sachen Integration. Es geht auch um Begleitung der Menschen auf ihrem Weg in der neuen Heimat, um Berufsberatung oder gesundheitliche Aspekte. So können zum Beispiel viele Menschen, die nach Deutschland kommen, nicht schwimmen.

Auch diejenigen, die schon länger in Deutschland sind und sich für ihre neue Heimat engagieren, finden bei der VHS einen Ansprechpartner. Das Team von Drüten ist in den Kreisen Kleve und Wesel zuständig für die Schulung der Integrationsräte.

In 70 Jahren hat die VHS in der Region ihre Spuren hinterlassen. Der Madrigalchor entstand hier, der Windmühlencup begann einst als Film-Club, und als die Menschen Anfang der 50er Jahre Urlaub allenfalls mit dem Besuch bei Verwandten oder eines Campingplatzes in Verbindung brachten, dachten die Dinslakener über den Tellerrand hinaus. Als eine der ersten Volkshochschulen in der jungen Bundesrepublik bot sie nach eigenen Angaben Studienreisen an. Zuerst ging es nach Langeoog, später gab es dann keine Grenzen mehr.

Mit der Zeit zu gehen bedeutet für die VHS auch, Trends zu erkennen. Vor knapp 20 Jahren waren "Grundlagen der EDV" der Renner, genau wie ein Seniorenkurs über das Handy, das unbekannte Wesen. Gesundheitsthemen sind zeitlos, "Rücken hat jeder", sagt Schenzer mit einem Augenzwinkern. Und als vor Jahren ein Kurs namens "Aquafatburning" angeboten wurde, standen 169 Namen auf der Liste. Mitmachen durften leider nur 15, mehr Schwimmzeiten gab's nicht.

Auch Berufliche Bildung ist ein wichtiges Thema. Kamen in den Anfangsjahren die Menschen, die durch Krieg und Vertreibung die Schule hatten abbrechen müssen, kümmert sich das VHS-Team heute um diejenigen, die im Schulbetrieb durchs Raster fallen, wie Drüten es ausdrückt.

Viele Jahre konnte sich die VHS auf die klassische Finanzierung verlassen: Land, Kommune, Entgelte. Heute sind Einnahmen aus anderen Quellen gefragt. So nutzen Firmen die Fachleute der VHS für Seminare. Drüten und Schenzer sind offen für Ideen und Anfragen. Durch Kooperationen mit Vereinen, Theaterbühnen und anderen Einrichtungen kann das Angebot ebenfalls ausgeweitet und attraktiver werden, unter anderem organisiert die Volkshochschule das Kulturprogramm in Voerde.

Auch in einer digitalisierten Welt, sind Drüten und Schenzer sicher, hat die VHS einen Platz. Nicht nur, weil Lernen in einer Gruppe mehr Spaß mache als alleine daheim vor dem Bildschirm. Sie sehen ihre Einrichtung auch als Ratgeber in einer multimedialen, von Informationen überfluteten Gesellschaft. Kritisches Lernen lehren, das sei vor diesem Hintergrund eine große Aufgabe.

(CF)
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