Dormagen 193 Osterkarten erzählen Zeitgeschichte(n)

Dormagen · Der Zonser Willi Schmidt ist seit gut 40 Jahren stets auf der Suche nach besonderen Grußkarten. Ob gestickt, geprägt oder mit Glitzer versehen - die Ostermotive haben es dem 78-Jährigen besonders angetan.

"Mit donnernden Ostergrüßen" schrieb im Kriegsjahr 1915 ein Soldat seinem Kameraden, in der Hoffnung, dass er ebenfalls unversehrt sei. Auf der Postkarte sind einige Hasen zu sehen, die sich in einem Schützengraben mit großen Augen und langen Ohren um eine Kanone versammelt haben. Diese Karte ist eine von exakt 193 Osterkarten des Sammlers Willi Schmidt aus Zons, der aktuell sieben Vergrößerungen bei der Osterei-Ausstellung im Kreismuseum Zons zeigt.

Die ältesten Exemplare stammen aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwar zeigen die Karten aus Kaisers Zeiten und aus der Zeit des Ersten Weltkrieges ähnliche Motive wie die aus heutiger Zeit, vermitteln aber ein gutbürgerliches, fast nostalgisches Gefühl: Da tummeln sich dicke Küken um einen Osterhasen als Lehrer, der ihnen beibringt, wie das Wort Osterei geschrieben wird. Gestickte Ostereier sorgen für eine besondere Haptik. Und eines fällt auf: Die Karten sind allesamt auf der Vorderseite mit Grüßen versehen, auf der Rückseite durften lediglich die Adresse und die Frankierung einen Platz finden.

Fröhliche Hühner, niedliche Küken, Hasen in jeder Farbe und Größe - auch die bekannten aus der "Hasenschule", Eier in allen erdenklichen Formen, Farben und Dimensionen, Lämmer und Schafe, oft begleitet von paus- und rotbäckigen Kindern, die Jungen im damals üblichen Matrosenanzug, die Mädchen im adretten Kleidchen, das Haar zu Löckchen gedreht. Was Willi Schmidt aber fasziniert, sind nicht nur die liebevoll, teils im Prägedruck hergestellten Motive auf der Vorderseite, sondern auch die Grüße, die nicht selten als gereimte Poesie verschickt wurden. "Da finden sich Geschichten: Ich besitze eine Karte, die der Vater seinem Sohn aus dem Krieg geschrieben hat." Ob er eine Antwort erhalten hat, bleibt im Dunkeln, denn selbst wenn: Diese Karte hat Willi Schmidt nicht. "Oder hier", sagt Schmidt und sucht ein anderes Exemplar aus dem Stapel: "Ein Mann teilt seiner lieben Frau mit, dass er gesund und munter ist und hofft, dass es ihr auch so ergeht. Das war eine Feldpost vom 28. März 1918." 1903 wurde eine Karte an seine Hoheit Prinz Konrad geschrieben. Es fällt leicht, mittels der Grußkarten in die Geschichte abzutauchen, sich auszumalen, wie es den Menschen ergangen ist, als sie die Karte schrieben.

Angefangen hat die Sammelleidenschaft von Willi Schmidt vor rund 40 Jahren, als er auf Messen und Börsen für Telefonkarten, die er ebenfalls gesammelt hat, immer wieder hübsche Grußkarten entdeckte und kaufte. "Ich habe einfach Spaß daran, weil sie eben auch ein Stück Zeitgeschichte sind." Jetzt kämen aber keine neuen Karten mehr hinzu. "Ich müsste zu Messen und Börsen fahren, und dazu habe ich keine Lust mehr", gesteht der 78-Jährige, der seine Frau Kriemhild in der gemeinsamen Arbeitsstätte Bayer kennengelernt hat.

Ihre Sammelleidenschaft teilen die beiden: Während er neben den Osterkarten auch etwa 40 Pfingst-, 150 Weihnachts- und rund 200 andere Grußkarten gesammelt hat sowie Muscheln, Fossilien und Mineralien als Erinnerungsstücke an zahlreiche Reisen in seinen Vitrinen beherbergt, hat sie ein Album voll mit Totenzetteln von Verwandten oder Personen, die im Krieg gefallen sind, sowie ein weiteres mit kunstvollen Heiligenbildchen.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort