Dormagen BMS wird Covestro: Chancen und Risiken

Dormagen · Es ist viel mehr als ein Namenswechsel: Wenn zum 1. September aus Bayer MaterialScience das vom Mutterkonzern unabhängige Unternehmen Covestro wird, soll das eine Reihe von Vorteilen bringen. Beschäftigte sind im Zwiespalt.

Die gerade veröffentlichten Zahlen für das zweite Quartal bei Bayer MaterialScience machen Mut: Gestiegene Absatzmengen in Verbindung mit positiven Währungseffekten und deutlich gesunkenen Rohstoffpreisen führten zu einem kräftigen Zuwachs des Ergebnisses bei BMS von 270 auf 506 Millionen Euro - ein sattes Plus von 87,4 Prozent beim Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen).

Selbst den Rückgang der Absatzpreise konnte die Kunststoffsparte des Bayer-Konzerns locker ausgleichen. Ausgezeichnete Voraussetzungen also vor dem ersten Schritt in die Selbstständigkeit und der Abspaltung vom Mutterkonzern Bayer, der am 1. September vollzogen wird?

In der Belegschaft dürfte vielen der Abschied vom Dickschiff Bayer schwerfallen - und das nicht nur aus Gründen der Gewohnheit. Bayer gab seinen Beschäftigten auch viel Sicherheit, trotz der fast 20 Milliarden Euro Schulden, die der Konzern angehäuft hat. Künftig muss sich BMS unter dem neuen Namen Covestro alleine auf dem globalen Kunststoffmarkt behaupten, der hart umkämpft ist. China und verschiedene arabische Länder können Kunststoffe in der Regel günstiger produzieren.

Dormagen ist mit rund 1200 Beschäftigten der größte Standort von BMS, das weltweit 14 000 Menschen beschäftigt. Was die Zukunftssorgen der hiesigen Mitarbeiter lindern könnte: Im Chempark wurde und wird kräftig investiert. Ein hoher dreistelliger Millionenbetrag wurde zum Beispiel in die neue TDI-Anlage gesteckt, weitere 15 Millionen Euro fließen in eine neue Anlage zur Verwertung von Kohlendioxid für die Kunststoffherstellung. Auch die Salzsäurevermarktung wurde ausgeweitet. Etwas Sicherheit gibt den BMS- und allen anderen bisherigen Bayer-Mitarbeitern außerdem eine im vergangenen Herbst abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung: Betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende des Jahres 2020 ausgeschlossen.

Die neue Kunststoff-Gesellschaft Covestro soll nach den Vorstellungen von Bayer-Konzernchef Marijn Dekkers spätestens Mitte 2016 an die Börse gebracht werden. Vor zehn Jahren hatte sich Bayer bereits von der traditionsreichen Chemie getrennt und den Bereich als Lanxess an der Börse eingeführt - eine mögliche Blaupause für die nun anstehende Abspaltung von Covestro. Doch in welcher Form der Börsengang erfolgt, ist derzeit noch unklar. Auf Patrick Thomas kommt in diesen Tagen jedenfalls eine Menge Arbeit zu. Der 57-jährige britische Manager leitet seit acht Jahren die Geschicke von Bayer MaterialScience und steht jetzt vor der wahrscheinlich größten Herausforderung seiner Karriere.

Dass Covestro nun den Kapitalmarkt anzapfen kann und nicht mehr auf Geldmittel des Mutterkonzerns angewiesen sein wird, hat aus seiner Sicht viele Vorteile: Thomas ist überzeugt, dass die Abspaltung zu neuen Freiheiten, mehr Flexibilität und größerer Schnelligkeit bei Entscheidungen führen wird. "Die Basis hierfür liegt in unseren führenden Marktpositionen", sagt er. Und Bayer-Chef Dekkers kann flüssige Mittel verstärkt in die kostspielige Pharmaforschung lenken. Covestro wird Europas viertgrößter Chemie-Konzern sein.

(NGZ)
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