Interview: Ig-Deich-Vertreter Deichbruch würde ganze Stadt gefährden

Dormagen · Vertreter der Interessengemeinschaft Deich erläutern ihre Ziele für die Deichverbands-Struktur und die Deichsanierung.

 Karl Kress, Wilfried Schellen und Franz Bauers (v.l) erläutern die Hochwasserschutz-Ziele der IG Deich.

Karl Kress, Wilfried Schellen und Franz Bauers (v.l) erläutern die Hochwasserschutz-Ziele der IG Deich.

Foto: L. Hammer

Herr Schellen, warum möchte die IG Deich die Hochwasserschutzkosten auf alle Dormagener umlegen?

Wilfried Schellen Das Ziel der IG Deich war neben der Hochwassersicherheit immer auch die Gebührengerechtigkeit. Da alle Dormagener vom Schutz der Deiche profitieren, sollten auch alle Dormagener dafür zahlen - und nicht nur einige wenige Zwangsmitglieder des Deichverbandes Dormagen/Zons, so wie es in allen umliegenden Kommunen ganz selbstverständlich praktiziert wird.

Herr Bauers, im Moment kommen knapp 5000 Rheinanlieger für etwa 331 000 Euro Kosten im Jahr auf, welche Vorteile hätten die fast 20 000 anderen Dormagener Grundstückseigentümer vom Deichschutz?

Franz Bauers Das liegt auf der Hand: Wenn das Klärwerk in Rheinfeld oder das Umspannwerk an der B 9 unter Wasser stehen, bekommt ganz Dormagen Probleme, nicht nur die Zonser, Rheinfelder oder Stürzelberger. Außerdem stände 60 Prozent von Dormagen, auch Hackenbroich und Delhoven, durch einen Deichbruch oder Extremhochwasser unter Wasser, wie ein Blick auf die Gefahrenkarte, die dem Deichgräfen schon lange bekannt ist, zeigt. Die Auswirkungen würde ganz Dormagen spüren, da auch die gesamte Infrastruktur - auch unter der Erde - beschädigt würde. Zudem: alle Zufahrten zum Krankenhaus Hackenbroich würden überflutet, d.h. das Krankenhaus wäre auf dem Landweg nicht erreichbar.

In Gohr haben Eigentümer eine vor allem eigenfinanzierte Lösung gegen das Grundwasser gefunden. Wäre da nicht auch Solidarität gefragt?

Bauers Das ist nicht zu vergleichen, da wir Zwangsmitglieder sind. In Gohr ist es ein freiwilliger Zusammenschluss.

Herr Kress, wenn die Stadt Dormagen - wie in Köln, Neuss oder Leverkusen - die Deichgebühren von allen Dormagenern einzieht, müsste dann der Deichverband aufgelöst werden?

KARL Kress Das ist ein konstruierter Zusammenhang, den es so nicht gibt. Die rechtlichen Möglichkeiten einer Gebührenumlage auf alle Dormagener soll nun der neugebildete Arbeitskreis des Deichverbandes klären. Mit Reinhard Hauschild unterstützt uns dabei ein ausgewiesener Verwaltungsrecht-Fachmann. Eine Strukturänderung muss eventuellen Klagen standhalten, sonst brauchen wir sie der Bezirksregierung gar nicht erst vorzuschlagen. Generell gilt: Das, was um Dormagen herum beim Einzug der Deichgebühren praktiziert wird, kann nicht komplett falsch sein.

Die Stadt Dormagen steckt im Haushaltssicherungskonzept. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Stadt diese freiwillige Leistung übernehmen kann?

Kress Es kann nicht sein, dass an Finanzen oder Haushaltssicherungskonzepten eine Verbesserung für ganz Dormagen scheitert. Da muss ein Weg gefunden werden. Die sieben bis acht zusätzlichen städtischen Mitarbeiter, die angeführt werden, sind nicht nötig, wenn die Ingenieurleistung bei der Deichsanierung wie bisher von den Planern des Deichverbandes erbracht wird.

Hätte eine Änderung der Deichverbandsstruktur oder eine Umlage der Deichgebühren auf ganz Dormagen denn keine Auswirkungen auf die zugesagten Fördermittel, mit denen das Land rund 80 Prozent der auf 30 Millionen Euro geschätzten Deichsanierung übernimmt?

Kress Das hat keine Auswirkungen, da die Fördermittel dem Deichverband zugesagt sind. Und der Deichverband wird ja nicht aufgelöst, er würde nur sein Gebiet erweitern und könnte dann zum Beispiel "Deichverband Dormagen" heißen.

Nach dem holprigen Erbentags-Start mit gegenseitigen Vorwürfen von IG Deich-Vertretern und Deichgräf Breimann schien in der vergangenen Erbentags-Sitzung die Sacharbeit im Vordergrund zu stehen, es wurden einige Entscheidungen gefällt. Wie beurteilen Sie die Arbeit im Spitzengremium?

Kress Wir müssen uns gemeinsam für den Hochwasserschutz einsetzen, wir sind ein Team. Dazu zählt auch, dass wir die Fehler der Vergangenheit, bei denen es vor der Zeit der Deichgräfe Artur Auweiler und Eduard Breimann Pfusch am Deich gegeben hat, nicht wiederholen. Deichgräf Breimann ist sehr fleißig und hat sich in seine Aufgaben gut eingearbeitet. Wir möchten jedoch mit größtmöglicher Transparenz möglichst viele Experten hinzuholen, die die Sicherheit der Deichbauten überwachen und die Sanierung begleiten.

Schellen Dass ab der nächsten Sitzung der Erbentag öffentlich tagt, war seit Jahren eine unserer Forderungen, die jetzt umgesetzt wurden. Immer wieder wurde unser Ruf nach Transparenz massiv zurückgewiesen. Es sollten alle interessierten Dormagener wissen, wie es um den Deich und seine Sanierung steht. Außerdem hat die hohe Beteiligung an der Erbentagswahl gezeigt, dass viele DV-Mitglieder für das Thema Hochwasserschutz sensibilisiert wurden; auch das geht auf die Initiative der IG zurück.

Wie stellen Sie sich Kooperationen mit anderen Deichverbänden vor?

Kress Hochwasserschutz darf nicht an Stadt- oder Regierungsbezirksgrenzen enden. Wir sollten größere Kooperationen eingehen, um Dormagen optimal vor Hochwasser zu schützen. Es kann nicht sein, dass in Köln die Hochwasserschutzmauer viel niedriger gebaut wird als bei uns - und dann das Wasser von dort in den Chempark läuft, wenn man nicht teure Gegenmaßnahmen ergreift. Mit interkommunaler Zusammenarbeit, auch mit anderen Verbänden, lassen sich sicher Synergieeffekte erzielen und Verwaltungskosten sparen. Hochwasserschutz am Rhein müsste eigentlich eine staatliche Aufgabe sein.

Bauers Es ist völlig unverständlich, dass uns bei der Bezirksregierung Düsseldorf auf unsere Nachfrage gesagt wird, dass es bezüglich des Hochwasserschutzes keine Kommunikation mit der Bezirksregierung Köln gebe.

CARINA WERNIG UND LUDGER BATEN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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