Dormagen Hartz IV für 736 Dormagener - trotz Job

Dormagen · In Dormagen leben 736 Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, obwohl sie erwerbstätig sind und auch Sozialabgaben zahlen. Doch es reicht nicht, um damit den Lebensunterhalt zu zahlen. Sie müssen "aufstocken".

 Wenn das Geld trotz Arbeit nicht reicht, sind viele dennoch auf Unterstützung angewiesen und müssen beim Jobcenter einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen.

Wenn das Geld trotz Arbeit nicht reicht, sind viele dennoch auf Unterstützung angewiesen und müssen beim Jobcenter einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen.

Foto: voba

Sie sind nicht arbeitslos und erhalten dennoch Arbeitslosengeld (ALG) II. 2633 von 3719 Dormagenern, die laut Jobcenter in 1848 Bedarfsgemeinschaften (Stand März 2014) leben, sind so genannte "erwerbsfähige Leistungsberechtigte", das heißt, sie sind grundsätzlich in der Lage, mindestens drei Stunden pro Tag einer Arbeit nachzugehen.

Das machen auch insgesamt 736 Hartz IV-Bezieher - davon sogar 127 in Vollzeit -, die aber offensichtlich mit ihrem Gehalt nicht über die Runden kommen, weshalb sie ALG II beziehen und als sogenannte "Aufstocker" in den Statistiken aufgelistet werden. Ein Zustand, den unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund immer wieder kritisiert und fordert, auf faire Löhne zu setzen, anstatt Unternehmen indirekt mit Hartz IV als Lohn-Aufstockung zu bezuschussen.

Die Gründe für nicht ausreichendes Einkommen sind vielfältig. Vier kennt Sina Degenhard, Mitarbeiterin bei der Schuldnerberatung des Internationalen Bundes (IB) Dormagen, aus der täglichen Praxis: "Mit einer Teilzeitstelle ist es in der Regel nicht möglich, eine Familie zu ernähren", sagt sie. Aber es gebe auch Betroffene, die in Vollzeit arbeiten, und mit ihrem Lohn nicht auskommen können. "Personen, die bei Leiharbeitsfirmen unter Vertrag stehen, haben oft schwankende Einnahmen, weil sie nicht immer eingesetzt werden", fährt die Schuldnerberaterin fort.

Und auch diejenigen, die sich selbständig gemacht haben, verfügen gerade in der Anfangszeit, wenn sie noch keinen festen Kundenstamm haben, über kein festes Einkommen. In Dormagen sind das von den 736 immerhin 34. Außerdem könne es dort immer wieder zu extremen Schwankungen kommen. Und wenn von einem Gehalt eine große Familie leben muss, ist das Geld ebenfalls schnell weg, sagt Jennifer Weber, Sprecherin des Jobcenters.

"Manchmal reicht aber auch die Ausbildung nicht aus, um eine besser bezahlte Arbeit zu bekommen", erklärt Sabine Hundsdoerfer, Schuldnerberaterin bei der Diakonie Neuss. Wer zu seinem regulären Einkommen zusätzlich die Grundsicherung für Arbeitsuchende - wie Hartz IV offiziell heißt - beantragen muss, hat ein weiteres Problem: "Er kann keine Schulden mehr abbezahlen und auch keine Ratenkredite mehr aufnehmen, selbst wenn er vorher allen Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß nachgekommen ist", sagt Hundsdoerfer.

"Gegebenenfalls hilft dann nur noch eine Privatinsolvenz." Vor allem alleinerziehende Mütter kommen mit ihrem Einkommen für sich und die Kinder häufig nicht aus und suchen deshalb die Arbeitslosenberatung der Diakonie auf, berichtet Mitarbeiter Karlheinz Kullick. "Das betrifft angestellte genauso wie selbstständige Frauen", sagt der Sozialwissenschaftler. "Die meisten haben sogar eine normale Ausbildung, beispielsweise im kaufmännischen Bereich oder als Arzthelferin."

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Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Es gebe aber auch Auswege aus der Lohnaufstockung. "Wenn die Kinder älter werden, können viele Frauen neben ihrem Hauptjob noch eine Nebentätigkeit oder einen 400-Euro-Job annehmen", sagt Kullick. Das reiche oft aus, um die Finanzlücke zu schließen.

(NGZ)
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