Dormagen Heime: Pflegepraxis muss Maßstab sein

Dormagen · Die Ankündigung, dass der so genannte Pflege-TÜV für die Seniorenheime in der bestehenden Form abgeschafft werden soll, stößt bei den Betroffenen in Dormagen auf große Zustimmung. Sie wollen weniger Formalien geprüft sehen.

Einmal im Jahr bricht in den Seniorenpflegeeinrichtungen eine besondere Hektik aus. Immer dann, wenn der Besuch der Prüfer des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) ansteht, soll alles stimmen. Denn die Note, die am Ende verteilt und veröffentlicht wird, ist für viele ein Gradmesser dafür, in welche Einrichtung sie ihre pflegebedürftigen Angehörigen geben. Ein fataler Blickwinkel, sagen selbst die Einrichtungsleitungen, weil sie wissen, dass die Note wenig über die tatsächliche Qualität aussagt. Jetzt gibt es Hoffnung: Auf Vorstoß des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), sollen diese Durchschnittsnoten abgeschafft werden. "Darüber wären wir alles andere als traurig", sagt Marc Strobel, Pflegedienstleiter im Malteserstift St. Katharina in Hackenbroich.

"Mit einer deutschlandweiten Durchschnittsnote von 1,3 sind die Prüfungen nicht aussagekräftig", sagt Laumann. Deswegen will er den sogenannten Pflege-TÜV bis Ende 2017 reformieren und das Notensystem zum 1. Januar 2016 aussetzen. An die Stelle der Noten sollen zunächst Kurzberichte treten. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sollen die Qualität von Pflegeeinrichtungen so besser einschätzen und vergleichen können. In einem zweiten Schritt soll anhand von messbaren Kriterien die Qualität von Pflege und Betreuung für Verbraucher vergleichbar gemacht werden. Der aus Neuss stammende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) begrüßt den Vorschlag. Auch an der Basis kommt die Entwicklung gut an. Gegenüber unserer Zeitung spricht Sabine Nielsen, stellvertretende Leiterin des Alloheims (172 Plätze, 61 Vollzeitkräfte, MDK-Note: 1,1) von einer "sehr guten Entwicklung. In den MDK-Prüfungen gehe es mehr darum, "wie gut die Dokumentationen sind und weniger darum, wie - salopp gesagt - es unter der Bettdecke aussieht". Nach ihrer Ansicht bleibt im bisherigen Prüfsystem "der Bewohner auf der Strecke". Sie nennt ein Beispiel: "Eine ,6' in der Wundversorgung kann durch eine ,1' in der Schmerzbehandlung ausgeglichen werden. Das ist nicht richtig." Nielsen wünscht sich, dass künftig deutlich mehr auf die Qualität der pflegerischen Arbeit und auf das Wohlbefinden der Bewohner geachtet wird.

In diese Richtung argumentiert auch Marc Strobel, der zurzeit das Malteserstift (MDK-Note: 1,1) kommissarisch leitet: "Eine Überprüfung ist grundsätzlich richtig. Aber sie sollte stärker an den Bewohnern orientiert sein. In den MDK-Prüfungen geht es nur zu einem Bruchteil um Gespräche mit den Bewohnern." Auch die Pflegekräfte leiden unter diesem System. Strobel sagt: "Gefühlt kümmern sie sich in 60 Prozent ihrer Arbeitszeit um die Bewohner und zu 40 Prozent um Dokumentationen." Auch findet er eine jährliche Überprüfung durch MDK und Heimaufsicht des Rhein-Kreises zu viel, "die inhaltlich fast identisch ist". Klartext spricht der überregional bekannte Pflegexperte Werner Schell (Neuss): "Eine Reform des Pflege-TÜV ist überfällig. Aber was nützt das, wenn die Pflege-Rahmenbedingungen mangelhaft sind und bleiben? Meine einfache Botschaft lautet: Mehr Pflegepersonal gleich bessere Pflege."

(NGZ)
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