Dormagen Hits und Gassenhauer von vor 400 Jahren in Luthernacht

Dormagen · Brillante Akteure beim Festival Alte Musik

Die Luthernacht am Freitagabend hat nicht nur das doppeldeutige Motto "Macht Musik" dieses Festivals beim Wort genommen, sondern auch den Blick auf überraschende Zusammenhänge gerichtet. So sieht es jedenfalls Hermann Max, der Dirigent der Rheinischen Kantorei. An Martin Luther, dem Reformator, und Jacob Fugger, dem mäzenatischen Augsburger Geldsack, beide große Liebhaber von Frau Musica, waren die gesanglichen und instrumentalen Vorträge festgemacht. Klangliche Entdeckungen sowie verblüffende Wiederausgrabungen aus dem uns so fernen 16. Jahrhundert konnten bestaunt werden. Die brillanten Akteure: Franz Vitzthum, Countertenor, Julian Behr, Laute, und das Blockflötenconsort B-Five.

"Was Sie heute zu hören bekommen, sind zum Teil Hits und Gassenhauer von vor 400 Jahren", hieß es im Einführungsgespräch, dessen Gehalt leider weitgehend unverständlich in zu hochgestochenen musikwissenschaftlichen Details unterging. Immerhin kam aber so viel über, dass sich die Zuhörer bei "Geld. Macht. Musik" auf Überraschungen einzustellen hatten.

Die kleine Besetzung mit Franz Vitzthum und das größere Blockflötenconsort spielten sich dabei die musikalischen Bälle zu. Wechselweise gruppierten sich die fantastisch aufgelegten Musiker im Altarraum oder auf einer kleinen Bühne im Mittelschiff der Basilika.

Erwähnenswert ist vor allem, dass der wort- und sprachgewaltige Martin Luther auch komponiert und seine klanglichen Anregungen oft von Ludwig Senfl und Josquin Desprez bezogen hat. Adaptieren, umschreiben, neu texten war in der damaligen Zeit ohnehin gang und gäbe. Bankier Jacob Fugger kommt ins Spiel, indem er die neuesten Entwicklungen der Tonkunst in die freie Reichsstadt Augsburg brachte. Durch seine geschäftlichen Beziehungen geriet nämlich schlicht die gesamte Blüte der damaligen Musik in sein Blickfeld.

Aber Luther und Fugger zu verzahnen, das wäre eine große Illusion. Darauf kam es am Freitagabend auch gar nicht an. Gleichwohl zeigte das Konzert noch lange nachhallend, wie beide den Finger am Puls der Zeit hatten. Diesen Impuls haben die Interpreten des Abends in geradezu wunderbarer Weise aufgegriffen und in herrliches Musizieren umgesetzt.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort