Baugenossenschaft "In der Innenstadt fehlen bezahlbare Grundstücke"

Dormagen · Die Vorstände der Baugenossenschaft Dormagen klagen auch über zu hohe Baukosten und lange Genehmigungsverfahren. Von der Stadt fordern sie eine aktivere Bauland-Entwicklungspolitik.

 Sie führen als Vorstände die Baugenossenschaft Dormagen: Axel Tomahogh-Seeth (l.) und Martin Klemmer.

Sie führen als Vorstände die Baugenossenschaft Dormagen: Axel Tomahogh-Seeth (l.) und Martin Klemmer.

Foto: Andreas Woitschützke

Sie gehören mit Ihrem Unternehmen zu den großen Akteuren auf dem Wohnungsmarkt in Dormagen. Anders als eine AG sind Sie dem genossenschaftlichen Grundgedanken verpflichtet. Wie schwer fällt das Wirtschaften?

Axel Tomahogh-Seeth Die Konjunktur für Wohnungsanbieter im Rheinland ist gut - davon profitieren auch wir. So konnten wir unseren Leerstand im letzten Jahr auf null reduzieren. Zudem agieren wir auf einem stabilen wirtschaftlichen Fundament, unser Eigenkapital wächst seit Jahren. Unsere besondere Herausforderung als Baugenossenschaft aber ist: Wir sind unseren Mitgliedern und unserer Heimat Dormagen langfristig verpflichtet. Unsere Aufgabe ist es, ganze Quartiere nachhaltig zu gestalten, zu modernisieren, und die Mieten zugleich sozialverträglich zu halten. Angesichts steigender Baukosten ist dies ein Spagat.

Sie klagen in einer Veröffentlichung über zu viele Bauvorschriften, lange Genehmigungsverfahren und teure Energieeffizienz. Was meinen Sie konkret?

Martin Klemmer Bauen ist so teuer wie nie! Das betrifft Neubauten ebenso wie die Sanierung von Bestandsgebäuden. Davor ist auch eine Genossenschaft nicht gefeit. Laut Statistischem Bundesamt sind die Neubaupreise in ganz Deutschland für konventionell gefertigte Wohngebäude von November 2016 bis November 2017 um 3,4 Prozent gestiegen. Seit dem Jahr 2000 sind die Bauwerkskosten um 45 Prozent gestiegen. Ein Gebäude, das im Jahr 2000 noch 500.000 Euro gekostet hat, kostet jetzt knapp das Doppelte.

Was sind die Kostentreiber?

Klemmer Das betrifft alle Bereiche und summiert sich. Im vergangenen Jahr zogen die Preise für Rohbauten um 3,8 Prozent an. Erdarbeiten verteuerten sich um 5,1 Prozent, für Gerüstarbeiten wurden 4,8 Prozent Mehrkosten fällig, und für Betonarbeiten um 4,5 Prozent. Klempnerarbeiten waren um 4,3 Prozent teurer als noch 2016. Zum Vergleich: Die Teuerungsrate der Verbraucherpreise lag in demselben Zeitraum bei nur 1,8 Prozent.

Sie kritisieren zu lange Verfahren...

Tomahogh-Seeth Ja, genau. Überlegen Sie mal: Es gibt über 20.000 Bauvorschriften! Das ist eine Vervierfachung seit 1990. Auf der anderen Seite steht in den Ämtern zu wenig Personal für eine zügige Abwicklung zur Verfügung. Je nachdem, welches baurechtliche Verfahren eingesetzt wird, kann es zwischen dreieinhalb und sieben Jahre dauern, bis ein Bauvorhaben bezugsreif fertiggestellt werden kann. Die während dieser Zeit anfallenden Planungs- und Bauvorbereitungskosten sowie mögliche Grundstücksankaufskosten gehen bei uns in die Millionenhöhe und müssen finanziert werden. Die zur Finanzierung notwendigen Mieteinnahmen fehlen in dieser Zeit.

In der Innenstadt machen Sie diese Erfahrung gerade, die Entwicklung der "Höfe am alten Wochenmarkt" an der Friedrich-Ebert-Straße dauert...

Tomahogh-Seeth Es lag am Seveso-Gutachten, das wir und andere Bauherrn erst abwarten mussten. Es gibt erwartungsgemäß keine Einschränkungen. Wir haben inzwischen unsere Hausaufgaben gemacht und das komplette Paket mit allen erforderlichen Unterlagen bei der Stadt eingereicht.

Wie reagieren die Nachbarn auf die lange Bauphase?

Klemmer Natürlich können auch Nachbarn ein Projekt ausbremsen. Schließlich hat keiner gerne für ein oder zwei Jahre eine Baustelle vor der Nase. Die Akzeptanz von Neubauprojekten geht zurück. Wir haben großes Glück, dass die Nachbarschaft der Höfe am alten Wochenmarkt außergewöhnlich kooperativ ist. Denn dort bauen wir ja auch dringend benötigte barrierefreie Wohnungen.

Welche Erwartungen haben Sie an Politik und an Stadt?

Tomahogh-Seeth Die Grundstückspreise und Baukosten sind in den vergangenen Jahren unaufhörlich gestiegen. Nicht zuletzt, weil innerstädtische Grundstücke rar sind. Hier ist unserer Meinung nach die Stadt gefragt, die Lage über eine kommunale Baulandentwicklungspolitik zu entspannen. Es fehlt an erschwinglichen Grundstücken, denn auf der grünen Wiese soll nicht gebaut werden.

Sie klagen über hohe Grundstückspreise - was aber sollen denn ihre Kollegen in Köln oder Düsseldorf sagen? Dort sind die Grundstückspreise exorbitant hoch.

Klemmer In einer Großstadt sind die Grundstücke teurer, dafür kann selbst eine Genossenschaft dort höhere Mieten verlangen. Nur darf man sich dann nicht wundern, wenn zum Beispiel Studenten keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Und genau das ist doch das gesamtgesellschaftliche Problem: Die Anforderungen ans Bauen sind widersprüchlich, in Köln ebenso wie in Dormagen. Entweder günstiger Wohnraum oder High-End-Sanierung. Entweder mehr Wohnungen in der Innenstadt oder mehr Grünflächen. Alles zusammen geht nicht. Die Politik kann nicht einfach allen alles versprechen, sondern sie muss klare Prioritäten setzen.

KLAUS SCHUMILAS STELLTE DIE FRAGEN

(NGZ)
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