Dormagen Junge Frau aus Rheinfeld lebt im Rhythmus Afrikas

Dormagen · Die 19 Jahre alte Delia Gerstenberg verbringt ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ghana. Dort unterrichtet sie an einer Grundschule.

Es sind die einfach Dinge, die plötzlich wichtig sind. "Toll", sagt Delia Gerstenberg, "dass ich fast immer fließend Wasser habe". Keine Selbstverständlichkeit in Ghana, wo die 19-Jährige seit einem halben Jahr lebt. In einem gemütlichen Zimmer in einer Familie mit drei Gastgeschwistern und deren Mutter.

Formal verbringt Delia ein Freiwilliges Soziales Jahr in Westafrika. Aber nicht in dem Sinne, was gemeinhin darunter verstanden wird. Zum einen weil die Organisation Weltwärts den Aufenthalt zu 75 Prozent finanziert und somit ein entwicklungspolitischer Aufenthalt daraus wird. Zum anderen, weil sich die Rheinfelderin nicht als Hilfe in einem vermeintlich unterentwickelten Land versteht. "Ich bin hier, um zu lernen. Es ist ein Lern- und Austauschdienst in einem Land mit Großstädten, in denen es Shopping Mals und Autohäuser für Luxuskarossen gibt."

Am Leibniz-Gymnasium hat die junge Frau im vergangenen Jahr ihr Abitur absolviert. Es war viel Unsicherheit mit im Spiel, als sie ihr Abenteuer startete: "Ich habe mich damals gefragt, wie ich in Ghana überhaupt helfen soll? Gerade das Abitur gemacht und nun soll ich ohne jede Ausbildung und Erfahrung unterrichten?" Ihre wichtigste Erfahrung in Ghana ist, sagt sie, "dass ich nicht hier bin, um zu helfen, mit unserem westlichen und angeblich größeren Wissen". Sie erlebt ein Umfeld mit "meiner Schule, die über eine große Mensa verfügt, einen Computerraum und ein Internat. Ich helfe hier weder beim Aufbau, noch muss ich die Schule mit Spenden unterstützen."

Ihr Tag in Agona Swedru, einer über 50.000 Einwohner zählenden Stadt, beginnt um sechs Uhr mit dem Ausfegen des Wohnzimmers. Nach dem Frühstück geht es zu Grundschule, wo sich um acht Uhr alle Klassen auf dem Hof treffen. "Die Nationalhymne wird aufgesagt, danach gebetet, gesungen und anschließend marschiert." Delias Unterricht in "Creative Arts" in der dritten und vierten Klasse dauert mehrere Stunden. Gegen 15 Uhr ist Schluss. "Den restlichen Tag verbringe ich meistens mit Freunden in der Stadt. Um acht Uhr abend muss ich immer zu Hause sein."

Delia lernt, mit Kindern im Alter von sieben bis zehn Jahren umzugehen, Essen zu verteilen, Wäsche mit den Händen zu waschen, in der lokalen Sprache Fante einzukaufen, Examen und Hausaufgaben zu berichtigen, mit Ton zu arbeiten und vieles mehr. "Es fällt mir nicht immer leicht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen", sagt sie. "Meine Muttersprache ist nicht Fante, ich bin in einem Land geboren, dass einige meiner kollegen als Paradies bezeichnen. Egal, wo ich bin, falle ich auf und werde als ,Obroni', Weiße, gerufen. Es ist manchmal ein unangenehmes Gefühl, mit seiner Hautfarbe herauszustechen."

Agona Swedru erlebt die 19-Jährige vor allem als "laut": "Zu Beginn konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, ein Jahr in einer Stadt zu leben, in der immer und an fast jeder Ecke Musik läuft, Taxifahrer durch Hupen nach Mitfahrern suchen und Straßenverkäufer durchs Rufen ihre Ware verkaufen." Die junge Frau hat inzwischen ihren Rhythmus gefunden und die sympathischen Seiten Ghanas ins Herz geschlossen. Zum Beispiel dass man Taxifahrten nie alleine verbringt, gerne aus Wasserbeuteln trinkt und viel fettiges Essen, auch mit den Fingern, zu sich nimmt. "Alles ist nun viel vertrauter. Ich kann heute sagen, ich bin angekommen."

(schum)
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