Dormagen Kinderarmut wächst weiter

Dormagen · Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers fordert dreifachen Kampf gegen die wachsende Kinderarmut: "Bund, Land und Kommunen müssen jetzt reagieren". Das "Dormagener Modell" als Vorbild.

 Die Kinderarmut in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit der Nachkriegszeit. Der Kinderschutzbund-Präsident kritisiert die ungleichen Chancen.

Die Kinderarmut in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit der Nachkriegszeit. Der Kinderschutzbund-Präsident kritisiert die ungleichen Chancen.

Foto: dpa

Dass die Kinderarmut in den vergangenen Jahren immer weiter angestiegen ist, hält Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes und Dormagens Ehrenbürger, für "eine Katastrophe. Trotz guter Konjunktur ist die Kinderarmut auf dem höchsten Stand seit der Nachkriegszeit, das darf nicht sein." 2,7 Millionen Kinder seien in Deutschland von staatlichen Transferleistungen abhängig - und das bei weniger als zwölf Millionen Kindern. Zum Vergleich: 2000 waren es noch 1,5 Millionen der 15,7 Millionen Kinder.

Er sieht den Bund als Gesetzgeber in der Pflicht, eine gerechte Familienförderung zu verankern und so die Grundlage für Chancengleichheit zu schaffen. Dazu müsse das Land noch mehr in die Bildung und die Schulen investieren: "Die Ausstattung von Schulen in sozial schwachen Stadtteilen ist oft viel schlechter als in anderen." Zudem müssten die Kommunen den Familien, denen Armut drohe, wertschätzend begegnen und frühe Hilfen anbieten, um den sozialen Abstieg zu stoppen. "Das Dormagener Modell kann da Vorbild für andere Kommunen sein", meint Hilgers: "Dort wird viel bereits im Vorfeld abgefedert und abgemildert." Durch Präventionsarbeit, das Vermitteln von finanziellen und erzieherischen Hilfen und die konsequente Förderung der Kinder könne eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation erreicht werden.

Die Gründe für Kinderarmut sind vielfältig, hängen zum einen mit dem Armuts-Teufelskreis zusammen: "Da ist es oft schwer, aus Hartz-IV-Familien herauszukommen, wenn Armut vorgelebt und von Generation zu Generation vererbt wird", so Hilgers. Dazu komme, dass mehr Kinder in ärmeren Familien geboren würden als in reicheren, so die Statistik. Es helfe auch nicht, dass die Familienförderung von der Ehe und nicht von den Kindern aus denke: "Ein Paar ohne Kinder kann das Zehnfache an Steuervorteilen genießen als eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die das gleiche Einkommen hat." Diese Schieflage gelte es, zu beseitigen, fordert Hilgers.

Denn es gebe zu viele Eltern, die ihr Gehalt aufstocken müssten, so Hilgers: Zu den rund eine Million Kindern mit arbeitslosen Eltern kämen noch 900.000 Kinder, deren Eltern Hartz IV aufstocken müssten, um das Existenzminimum zu sichern. "Das geht doch nicht, dass eine alleinerziehende Erzieherin mit zwei Kindern nicht mit ihrem Gehalt auskommt und aufstocken muss."

Hinzu kommen noch 800.000 Kinder, die nur durch Zuschlagzahlungen, Wohngeld und ähnlichen Förderungen nicht unter die Armutsgrenze fallen. Lernförderung solle den Schülern kontinuierlich helfen - und nicht bei kurzfristig erreichtem Erfolg wieder eingestellt werden, so Hilgers.

Hilgers fordert ein schnelles Umdenken: "Bund, Land und Kommunen müssen jetzt reagieren", sagt der Kinderschutzbund-Präsident. Sonst drohe der Gesellschaft allein durch zunehmende Armut ein immer größer werdender Sprengsatz: "Wenn aus Kinderarmut Jugendarmut wird, ist es für ein zukünftiges Arbeitsleben der jungen Menschen oft zu spät." Carina Wernig

(NGZ)
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