Ramona Noorman Mit "Seepferdchen" ist man noch kein Schwimmer

Dormagen · Die 32 Jahre alte Schwimmtrainerin, die in Schulen und beim TSV Bayer Nichtschwimmer unterrichtet, sieht das Abzeichen kritisch.

Frau Noorman, wie ist es um die Schwimmfähigkeit der Dormagener Grundschüler bestellt?

Ramona Noorman Das Schwimmprojekt, das seit drei Jahren an den Dormagener Grundschulen läuft, zeigt Wirkung. Wir haben eine gute Chance, dass viele als Schwimmer die Grundschule verlassen werden. Wir sind inzwischen ganz gut aufgestellt und bekommen das Problem der vielen Nichtschwimmer allmählich in den Griff.

Auf wie hoch schätzen sie die Quote?

Noorman Ich denke, es werden 70 bis 75 Prozent der Teilnehmer am Schwimmunterricht sein, die am Ende das "Seepferdchen" haben.

Wann ist für Sie als erfahrene Schwimmtrainerin ein Kind ein Schwimmer?

Noorman Wenn ich mit dem Kind im Freibad bin, mich in Sichtweite aufhalte, das Kind alleine ins Becken geht und sich sicher im tiefen Wasser bewegen kann. In Abzeichen gesprochen wäre das mindestens "Bronze". Aber das ist in der knapp bemessenen Zeit im Schulschwimmen für ein Nichtschwimmer-Kind kaum zu erreichen.

Das Seepferdchen reicht also im Prinzip nicht aus?

Noorman Dieses Abzeichen ist nach außen hin das Maß aller Dinge. Jedoch kommt beim Trainieren auf die "magische" 25-Meter-Marke oft das sichere Reinspringen und Tauchen zu kurz. Ich habe in meiner Statistik deshalb auch noch die "Halbschwimmer" hinzugefügt, die also keine Nichtschwimmer mehr sind, aber die 25 Meter noch nicht schaffen. Sie können allerdings am Ende ins Wasser springen, hochtauchen und bis zum Beckenrand schwimmen. Ein paar Meter, die im Ernstfall lebensrettend sein können. Beim TSV Bayer Dormagen, wo ich die Schwimmschule leite, habe ich aus diesem Grunde das "Froschabzeichen" eingeführt. Hierfür muss sein Kind reinspringen und fünf bis zehn Meter Schwimmen können, getreu dem Motto "lieber ein sicherer Frosch, als ein unsicheres Seepferdchen".

Wie sind die Rahmenbedingungen beim Schulschwimmen?

Noorman Sehr unterschiedlich. Zum einen reduziert sich die Stundenzahl im Schuljahr durch Ferien, Ausflüge oder krankheitsbedingtes Fehlen von Kindern schon deutlich. Ferner spielt die Größe der Gruppe und deren Homogenität eine sehr wichtige Rolle. Die Bandbreite ist enorm: von der relativ kleinen Gruppe mit maximal fünf Kindern, die auf ähnlichem Niveau sind, bis hin zu einer deutlich größeren Gruppe. Es gibt Gruppen von bis zu fünfzehn Kindern, in der einige noch große Angst vor Wasser haben oder in denen Kinder mit geistiger Behinderung sind, die eine gesonderte Betreuung benötigen, während in derselben Gruppe andere Nicht- oder Halbschwimmer schon erfahrener und übermütiger sind.

Was ist mit Flüchtlingskindern?

Noorman Auch hier ergeben sich oft besondere Herausforderungen, bedingt durch die Sprache oder die unterschiedliche Kultur. Dann muss ich mit Händen und Füßen die Techniken erklären und alles ganz langsam vormachen. Nicht immer dürfen die Mädchen zum Schwimmen kommen. Dabei wäre es auch gerade für sie total wichtig.

Welche Rolle spielen die Eltern?

Noorman Eine sehr große. Wenn Kinder im zweiten oder dritten Schuljahr noch nie mit Schwimmen konfrontiert worden sind, dann wundert man sich schon... Es gibt Kinder in diesem Alter, die noch nie in einem Schwimmbecken waren.

Ist für die Drittklässler nach diesem Kursus Schluss?

Noorman Nicht unbedingt. An der Christoph-Rensing-Schule beispielsweise gibt es eine Schwimm-AG, an der Regenbogen-, Erich-Kästner- und Theodor-Angerhausen-Schule wird ebenfalls im Rahmen der OGS geschwommen.

Was wünschen Sie sich?

Noorman Um noch effektiver arbeiten zu können, wäre eine personelle und fachkompetente Unterstützung bei den sehr großen und heterogenen Gruppen sehr hilfreich, damit wirklich allen Kindern eine noch gezieltere Förderung zuteil werden kann.

KLAUS SCHUMILAS STELLTE DIE FRAGEN

(NGZ)
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