Dormagen Neues Gewerbe: Stadt hofft auf den Silbersee

Dormagen · Dort, wo Dormagen, Neuss und RWE Power ein Industriegebiet ansiedeln wollen, stand vor einem halben Jahrhundert eine Zinkhütte.

Das Urteil von Michael Hennemann steht fest: "Das ist ein Top-Standort, und er ist ungefährlich." Der Leiter für Liegenschaftsprojekte bei RWE Power weiß um die Historie des Silbersee-Geländes, um Begriffe wie "Arsenblase" und Zeitungsüberschriften wie "Das tote Land am Silbersee". Das Essener Tochter-Unternehmen von RWE und vor allem die Stadt Dormagen haben größtes Interesse an einer Vermarktung von 40 bis 50 Hektar des insgesamt 100 Hektar großen Areals zusammen mit der Stadt Neuss. Das wurde in einer 2013 getroffenen Rahmenvereinbarung für eine interkommunale Zusammenarbeit vereinbart. Wie es um die Altlasten der ehemaligen Zinkhütte, um den Autobahnanschluss Delrath und um Planung und Vermarktung bestellt sind, darüber sprach unsere Zeitung exklusiv mit Vertretern von RWE Power und der Stadt.

Die Ausgangslage Die Stolberger Zinkhütten AG hat ihr Geschäft auf dem Areal an der Bundesstraße 9 zwischen 1913 und 1971 betrieben. RWE übernahm vier Jahre später das Gelände mit der Absicht, dort ein Steinkohle-Kraftwerk zu betreiben. "An diesen Plänen haben wir lange festgehalten", sagt Hennemann. Auch ein Gaskraftwerk im östlichen Teil des Gebiets war ein Thema. Mit der Rahmenvereinbarung für ein interkommunales Industrie- und Gewerbegebiet, in der RWE darauf verzichtet, größere Reserveflächen frei zu halten, ergeben sich vor allem für Dormagen große Chancen für die Ansiedlung von Unternehmen. Ziel ist es, sagt Bürgermeister Erik Lierenfeld, auf diesem Weg die Gewerbesteuereinnahmen deutlich zu erhöhen.

Die Umwelt "Wir müssen auf diesem Areal mit Restschadstoffen rechnen", sagt Hennemann, "das ist nicht unüblich". Aber alle bisherigen Untersuchungen hätten keine Belastungen ergeben, die einer Entwicklung im Wege stünden. Mehr noch: "Der Zustand des Silbersees ist in Ordnung. Der dortige Angelverein ist aufgerufen, regelmäßig Wasserproben zu nehmen. Es gibt keine Bedenken." Das gilt auch beispielsweise für den Artenschutz. "Auch diese Untersuchungen sind kein K.O-Kriterium."

Das Hauptthema ist aber die so genannte Arsenblase - "die es nicht gibt", sagt der RWE-Experte. "Dieser Ausdruck ist falsch. Wir sprechen über Erdreich, das kontaminiert ist." Zur Betriebszeit der Zinkhütte fiel bei der Produktion von Zink und Eisen auch Arsen an, das mit dem Regenwasser ins Grundwasser gelangte. Die stark belastete Sickergrube wurde 2008 mit einer mehrteiligen Schicht aus Kunststoff und Ton abgedichtet. Bis 2018 wird dieser Bereich laut einer Vereinbarung zwischen RWE und dem Rhein-Kreis untersucht. "Unter Fachleuten herrscht Einigung darüber", sagt Hennemann, "dass eine Abdichtung, also eine dauerhafte Versiegelung, am besten ist". Dies habe man zuletzt auch bei einer hundert Hektar großen Aluminiumhütte in Essen so gemacht. Bei Messungen im Grundwasserabstrom zum Rhein hin gebe es "leicht erhöhte Arsenwerte". Das ist seit Jahren so. 2008 hatte der damalige Kreisverwaltungsdirektor Norbert Clever im Dormagener Planungs- und Umweltausschuss berichtet, dass die Belastung mit Arsen in Gesteinsschichten zu finden sei. Auch im Grundwasser in 25 Meter Tiefe. Von dort wurden große Teile des Arsen aus dem Sickergrubenschlamm "bereits auf natürlichem Weg im Grundwasser ausgespült und sind von dort in den Rhein gelangt", hieß es vor sieben Jahren. RWE geht davon aus, dass man bei einer Entwicklung des Areals im Bereich der alten Zinkhütten-Gebäude Fundamentreste finden wird. "Ob diese beseitigt werden müssen, hängt auch von der dort geplanten neuen Bebauung ab", erklärt Hennemann. "Alle Kosten für Sanierung und Bereitstellung des Geländes tragen wir als Eigentürmer des Areals."

Die Planung Im Herbst vergangenen Jahres haben Dormagens Politiker die Änderung des Flächennutzungsplans und die Aufstellung eines Bebauungsplans auf den Weg gebracht. Bei der Entwicklung des Silbersee-Areals müssen die Landesentwicklungsplanung und die laufende Aufstellung des neuen Regionalplans berücksichtigt werden, erklärt Fachbereichsleiter Gregor Nachtwey. Die frühzeitige Beteiligung von Bürgern und Trägern öffentlicher Belange gibt es noch nicht, "wir warten das Vorliegen der abschließenden Gutachten ab". Er rechnet damit, dass 2017 Planungsrecht geschaffen werden kann.

Der Verkehr Für eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik ist eine bestmögliche Verkehrsanbindung notwendig. Diese Überzeugung vertritt Landrat Hans-Jürgen Petrauschke und meint damit den Autobahnanschluss Delrath. "Eine gesunde Entwicklung in diesem Bereich ohne Anschluss wird nicht möglich sein." Die B 9 wäre überlastet, durch Delrath dürfe nicht mehr Verkehr fließen. Im September wird das von RWE Power in Auftrag gegebene Verkehrsgutachten vorliegen, von dem sich die Beteiligten Argumentationshilfe erwarten. Petrauschke rechnet mit einem "relativ schnellen Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung. Ich bin davon überzeugt, dass 2017 Bagger anrollen werden, um mit den Arbeiten für den Autobahnanschluss zu beginnen."

Das Geld Die Stadt rechnet mit hohen Erträgen, wenn das Silbersee-Areal einmal voll vermarktet ist. In der mittelfristigen Finanzplanung spielt es bereits eine Rolle: Für 2018 sind Gewerbesteuer-Einnahmen von 1,5 Millionen Euro etatisiert, für 2019 bereits sieben Millionen und für 2020 zwölf Millionen Euro. "Wir werden diese Planung im Rahmen der Haushaltsaufstellung entsprechend des Planungsstandes anpassen und schieben", sagt Kämmerin Tanja Gaspers. Die Stadt plant in diesem Jahr mit Gewerbesteuereinnahmen von 21,8 Millionen Euro.

(NGZ)
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