Dormagen Syrerin fühlt sich in Dormagen heimisch

Dormagen · Hiba Salloum verließ im September Damaskus auf der Suche nach einer neuen Lebensperspektive. Nach knapp zwei Monaten erreichte sie Dormagen. Die 30-Jährige sieht in Deutschland schon ihr Zuhause - weil es ihr hier gut geht.

Dormagen: Syrerin fühlt sich in Dormagen heimisch
Foto: Berns, Lothar (lber)

Entspannt im Café Seitenweise einen Ingwertee genießen, abends mit Freunden Köln oder Düsseldorf entdecken - dieses Leben war für Hiba Salloum vor einem Jahr noch weit entfernt. Da lebte die 30-Jährige in Damaskus. Die junge Frau hatte zwar einen Job als Assistentin der Geschäftsstellenleitung der Oriental Bank, aber die Lebensumstände waren ausgesprochen schwierig. "Es gab Anschläge und Bombardierungen", sagt sie. "Ich habe einfach permanent Angst vor Assads Armee gehabt."

Die Entscheidung, ihre Heimat Syrien zu verlassen, fiel ihr umso leichter, weil ihr Verlobter als Ingenieur in Kuwait arbeitet und aufgrund des Kriegs nicht zurückkehren kann, ohne Gefahr zu laufen, festgenommen zu werden. "Er kommt aus einer Stadt, die nicht zum Einflussgebiet von Assad gehört." Am 11. September verließ Hiba Salloum ihre Heimat und flog zusammen mit einer Freundin nach Istanbul. Zwei Monate später kommt sie in Dormagen an, wo sie heute bei einer Familie in Rheinfeld untergekommen ist.

Die junge Frau ist gut ausgebildet, absolvierte in Damaskus ein Bachelor-Studium in Wirtschaft. Sie studierte während ihrer Arbeit auch ein Semester Medienwissenschaften in Damaskus. Ein Bereich, der sie auch heute noch stark interessiert. Neben ihrer Muttersprache Arabisch spricht sie fließend Englisch, verfügt über Kenntnisse in Spanisch und lernt zurzeit fleißig Deutsch an der Volkshochschule.

Im Gespräch mit der 30-Jährigen wird das lebendig und greifbar, was beinahe tagtäglich als Bilderflut über die Fernsehschirme läuft. In der Türkei konnte sie nicht bleiben, "ich habe dort zwar einen Monat gearbeitet, aber illegal. Da war immer die Angst, entdeckt zu werden." Per Boot gelangt Salloum mit einer Freundin und deren Mann von Izmir nach Griechenland, 36 Erwachsene und 20 Kinder sind an Bord. "Natürlich ist da die Angst unterzugehen." Drei Tage verbrachten sie auf der Insel Lesbos, ehe es mit Boot, Bus, Zug und zu Fuß über Mazedonien, Serbien und Kroatien bis nach Slowenien geht. "Für mich war es dort das schwierigste Land von allen, weil die Polizei gegenüber Frauen und Kindern sehr aggressiv war", erzählt sie. "In den Nächten war es sehr kalt, es gab kein Essen und keine Toiletten. Wir hatten keinen Schlafplatz und mussten auf unseren Taschen und Rucksäcken im Freien schlafen. Ich dachte, dass ich sterben würde und niemand es erfahren wird."

Über Österreich erreichte Hiba Salloum am 1. November Deutschland. In Dortmund lebte sie erst zehn Tage in einer Turnhalle, ehe sie nach Dormagen geschickt wurde. Nach drei Wochen in der Turnhalle Beethovenstraße wurde sie Korschenbroich zugewiesen. Weil die junge Frau jedoch in Dormagen ihren Deutsch-Kursus absolviert und sich ehrenamtlich als Hilfskraft und Dolmetscherin in der Flüchtlingsunterkunft engagiert, stellte sie den Antrag, auch hier wohnen zu dürfen. In diesen Tagen kam im Rahmen ihres Asylverfahrens endlich die Einladung zu einem Gespräch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das soll für sie Klarheit bringen.

Aufgrund ihres Wirtschafts-Studiums absolviert sie zurzeit ein Praktikum in der Sparkassen-Filiale an der "Kö". Wie es beruflich weitergeht, ist offen. "Ich möchte unbedingt mein Deutsch verbessern und würde gerne mein Studium im Bereich Medien fortsetzen." Über ihr neues Leben in Deutschland ist sie glücklich, wenn ihr auch der Kontakt zu ihrem Verlobten fehlt, den sie in diesem Jahr noch nicht gesehen hat. "Ich bin allen Deutschen, die mir geholfen haben, sehr dankbar. Manchmal frage ich mich, wo meine Heimat ist. Die Antwort ist mir dann sehr schnell klar: Dort, wo es mir gut geht - und das ist in Deutschland."

(schum)
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