Tsvbayerdo TSV Bayer trifft das Tor nicht mehr

Dormagen · 4 Spiele, 198 Würfe, 90 Treffer - verheerende Angriffsbilanz kann Dormagen den Ligaverbleib kosten.

 Wehrte 20 Dormagener Würfe ab: Jan Kominek.

Wehrte 20 Dormagener Würfe ab: Jan Kominek.

Foto: woitschützke/HCE Rostock

Ein Handballtor ist drei Meter breit und zwei Meter hoch. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass vor diesem Rechteck ein Torhüter und sechs Feldspieler stehen oder sich bewegen, sollte es möglich sein, mit dem Spielball von sechzig Zentimeter Umfang und 450 Gramm Gewicht irgendwo in diesen sechs Quadratmeter großen Raum zu treffen - zumindest, wenn das Handballspielen Berufung oder für einige auch Beruf bedeutet.

Nicht so beim TSV Bayer Dormagen. Der so gut in die Saison gestartete Zweitligist präsentiert sich in diesen Oktoberwochen von allen guten Angriffsgeistern verlassen. 90 Tore aus den jüngsten vier Spielen sind an sich schon eine magere Ausbeute - mit einem Durchschnittswert von 22,5 Treffern in sechzig Minuten lässt sich nur selten ein Spiel gewinnen. Zum Vergleich: In den ersten sieben Begegnungen trafen die Bayer-Handballer 185 Mal - macht immerhin einen Schnitt von 26,4 Toren pro Partie.

Verheerende Ausmaße nimmt die Statistik freilich erst dann an, setzt man die 90 Tore in Relation zur Gesamtzahl der Würfe, die die Dormagener bei ihren Offensivbemühungen Richtung gegnerisches Gehäuse abfeuern. In Rimpar (22:25-Niederlage, 21 Fehlwürfe), gegen Emsdetten (25:30, 32 Fehlwürfe), in Hagen (21:28, 29 Fehlwürfe) und am Mittwochabend in Rostock (22:28, 25 Fehlwürfe) warfen sie insgesamt 198 Mal aufs Tor - was nichts anderes bedeutet, als dass 108 dieser Versuche, mithin 54,5 Prozent aller Würfe, nicht ihr Ziel fanden.

"Wir haben in der zweiten Halbzeit 15 freie Bälle verworfen, so kannst du natürlich auswärts nicht gewinnen", schimpfte Trainer Jörg Bohrmann nach der 22:28-Pleite in Rostock, bei der seine Schützlinge eine 13:11-Halbzeitführung verspielten, weil ihnen in den ersten 17 Minuten nach Wiederbeginn ganze zwei Treffer gelangen. Ähnlich war es fünf Tage zuvor in Hagen, wo die Gäste nach 40 Minuten noch mit 16:15 in Führung lagen - und in den restlichen 20 Spielminuten nur fünf Bälle im von Jürgen Müller gehüteten Eintracht-Gehäuse unterbrachten.

Seine 19 Paraden wurden am Mittwoch von Jan Kominek noch um eine übertreffen, dem die "Norddeutschen Neuesten Nachrichten" daraufhin das Prädikat "Hexer" verliehen. "Wir haben uns in den vergangenen Spielen stabilisiert. Die Abwehr steht gut und macht es mir natürlich auch ein bisschen leichter, ein paar Bälle zu halten," gab der 34 Jahre alte Tscheche das Kompliment an seine Vorderleute weiter. Bei der Heimpleite gegen Emsdetten gestatteten die Dormagener Nils Babin 17 Paraden in 49 Minuten, in Rimpar entschärfte Max Brustmann 16 Würfe der Gäste - die Tendenz ist steigend und macht inzwischen vor keinem der Bayer-Angreifer mehr Halt. Auch Sebastian Damm, der während des ersten halben Dutzend Spiele die Torjägerliste der Zweiten Liga anführte, hat sich von ihr anstecken lassen - bei ihm sicher auch eine Folge des Kräfteverschleißes, da der 20-Jährige auf der linken Außenbahn in allen elf Partien praktisch 60 Minuten ohne Pause auf der Platte stand.

Andere überschätzen sich und ihre Vollstreckerqualitäten offensichtlich, "nehmen" sich einfach und oftmals viel zu früh Würfe, wo ein Pass zum Nebenmann angebrachter wäre. Und in den verheerenden Statistikwerten sind all die Fehlpässe und technischen Fehler noch gar nicht berücksichtigt. Angesichts dessen kommt sich Jörg Bohrmann immer mehr wie ein Prediger vor tauben Ohren vor: "Jeder Spieler muss einfach lernen, zuzuhören. Nur dann entwickelt er sich auch tatsächlich weiter", sagt der Dormagener Trainer. Doch ein Teil seiner Schützlinge scheint derzeit mit anderen Dingen beschäftigt als dem größtmöglichen Erfolg des Kollektivs, scheint mit "eigenen" Höchstmarken persönlich auf sich aufmerksam machen zu wollen - ein Schuss, der (buchstäblich) nach hinten losgeht und Bayer den Ligaverbleib kosten kann.

(NGZ)
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