Tsv Bayer Dormagen TSV kann es noch aus eigener Kraft schaffen

Dormagen · Bei der 25:31-Niederlage gegen den TV Emsdetten scheiterte der TSV Bayer Dormagen nicht an sich selbst, sondern an einem der zur Zeit stärksten Handball-Zweitligisten. Trotzdem murren einige Fans - sie verkennen dabei völlig die Gegebenheiten in der besten Zweiten Liga der Welt.

 Bekommt im Moment die ganze Härte der Liga zu spüren: Max Bettin, hier gegen Johan Koch (l.).

Bekommt im Moment die ganze Härte der Liga zu spüren: Max Bettin, hier gegen Johan Koch (l.).

Foto: H, Zaunbrecher

Pfiffe gegen die Heimmannschaft hat es seit den unseligen Zeiten des DHC Rheinland keine mehr gegeben im Bayer-Sportcenter. Pfiffe gab es auch am Samstagabend während und nach der 25:31-Niederlage (Halbzeit 14:15) des TSV Bayer Dormagen gegen den TV Emsdetten keine. Doch auf den Rängen herrschte eine merkwürdige Mischung aus Frust, Resignation und Besserwisserei - alles Dinge, die der jungen Truppe des Handball-Zweitligisten im Abstiegskampf nicht weiterhelfen, sondern sie weiter verunsichern.

Und alles Dinge, die diese Mannschaft mitsamt Trainer Jörg Bohrmann auch nicht verdient hat. Das Spiel Sicher, so ergreifend chancenlos wie ab der 40. Minute sind die Dormagener in einem Heimspiel lange nicht gewesen. Sieben Torerfolge in den letzten 23 Spielminuten, zwei Feldtore zwischen der 37. und 58. Minute sprechen eine deutliche Sprache. Doch diesmal scheiterten die Hausherren nicht an sich selbst, sondern an einer kompakt stehenden und kompromisslos zupackenden, dabei mitunter die Grenzen des Erlaubten streifenden Deckungsformation des TV Emsdetten.

Dem sein Trainer Daniel Kubes, selbst einst unter anderem beim THW Kiel einer der härtesten Abwehrrecken der Bundesliga, die "insgesamt beste Leistung in diesem Jahr" bescheinigte. Und aus den sieben Spielen dieses Jahres haben seine Schützlinge 12:2 Punkte geholt - eine bessere Bilanz hat nur Spitzenreiter SC DHfK Leipzig aufzuweisen. So täuscht auch der elfte Tabellenplatz, auf dem die Emsdettener zur Zeit liegen - ohne die aus mannigfachen Gründen verkorkste Hinrunde gehört der Erstliga-Absteiger zu den Top-Vier der Liga - und diese Liga ist die mit Abstand stärkste Zweite Liga der Welt.

Der Anspruch Gegen einen solchen Gegner einen Sieg des Neulings zu erwarten, gar zu fordern, ist unrealistisch und hoffnungslos naiv. Der TSV besäße vielleicht das Potenzial dazu, hätte er noch die Mannschaft, die vor Jahresfrist die Dritte Liga eindeutig beherrschte. Doch Simon Ernst und Moritz Preuss (saß unter den Zuschauern) sind weg. Und bei allem Respekt vor den Leistungen eines Max Bettin und eines Alex Küblers, die zusammen 18 der 25 Treffer erzielten - ersetzen können sie diese Abgänge adäquat (noch) nicht.

Bettin und die anderen Jungspunde bekommen im Moment die ganze Härte des Liga-Alltags zu spüren. Und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn erfahrene Haudegen wie die aus Emsdetten wissen genau, wie sie einem Haufen von Frischlingen den Schneid abkaufen. Und im Gegensatz zum 26:16-Sieg vor einer Woche gegen einen ähnlich körperbetont einsteigenden EHV Aue ließen die Unparteiischen die Gäste diesmal fast unbehelligt gewähren.

Die Philosophie Am Ende fehlte Bayer auch die Kraft, um einigermaßen dagegen zu halten. Schließlich war es das dritte Spiel in einer Woche, dazwischen lagen schlappe 950 Autobahnkilometer nach Coburg und zurück - die Reise war am Donnerstag um fünf Uhr in der Früh beendet. Das ist etwas für Vollprofis - die können ausschlafen und sich bis zum nächsten Training der Regeneration hingeben. Der TSV geht bewusst einen anderen Weg, (fast) alle Spieler stehen im Beruf oder in der Ausbildung ihren Mann.

Wer diesen Weg will, muss auch die Folgen in Kauf nehmen - so wie beim (voll berufstätigen) Sven Bartmann, der mit fünf Paraden in den ersten zwölf Minuten an seine starke Leistung der Vorwoche anzuknüpfen schien, dem im weiteren Verlauf aber einfach Kraft und Konzentration fehlten. Die Alternative wären Legionärstruppen wie die des TV Emsdetten oder des EHV Aue, bei denen über weite Strecken ein einziger Spieler mit deutschen Pass am Geschehen teilnahm.

Doch Hand aufs Herz: Wer möchte das in Dormagen schon sehen? Der Trainer Jörg Bohrmann wird nicht müde, die Voraussetzungen, unter denen er seine Arbeit verrichtet, zu erwähnen. Doch als "Ausreden", so wie es seine Kritiker ihm vorwerfen, benutzt er sie nie - es sind schlicht und einfach Tatsachenbeschreibungen. Der 46-Jährige macht auch den ein oder anderen Fehler (wer macht das nicht?), doch er macht insgesamt einen hervorragenden Job.

Sonst hätte der Aufsteiger nach 29 Spielen sicher keine 19 Punkte, eine Bilanz, die ihm viele eben wegen dieser Voraussetzungen kaum für die gesamte Saison zugetraut hätten. Nur mal zum Vergleich: Der letzte Meister der Dritten Liga West, der aufsteigen durfte, der TuS Ferndorf, holte in der gesamten Spielzeit 2012/13 nur 17 Zähler - und die Liga ist seither bestimmt nicht schwächer geworden. Die Aussichten Deshalb hat der TSV Bayer bei derzeit einem Punkt Rückstand auf den ersten Nicht-Abstiegsplatz auch noch alle Chancen auf den Klassenerhalt.

Und angesichts von fünf ausstehenden Duellen mit direkten Konkurrenten hat er denselben weiterhin in der eigenen Hand. Schafft er das Ziel nicht, ist immer noch genug Zeit, kritisch Bilanz zu ziehen. Doch bis dahin braucht der Aufsteiger alle Unterstützung - und nicht Frust, Resignation und Besserwisserei.

(NGZ)
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