Tsv Bayer Dormagen TSV scheitert an Torhüter Bliß und sich selbst

Essen · Im Kellerduell der Zweiten Handball-Bundesliga war für Bayer Dormagen mehr drin als das 22:22-Unentschieden bei TuSEM Essen.

 Maximilian Bettin war der einzige, der sich überhaupt noch zu werfen traute im Team des TSV Bayer Dormagen. Hier versucht er den Essener Block mit den Routiniers Michael Hegemann und Paul Trodler (v.l.) zu überwinden.

Maximilian Bettin war der einzige, der sich überhaupt noch zu werfen traute im Team des TSV Bayer Dormagen. Hier versucht er den Essener Block mit den Routiniers Michael Hegemann und Paul Trodler (v.l.) zu überwinden.

Foto: H. Zaunbrecher

Jörg Bohrmann beherrschte sich nur mit Mühe, biss immer wieder in die Plastikkarte mit dem aufgedruckten B, die ihn als Mannschaftsverantwortlichen ausweist. "Ich weiß nicht", sagte der 46-Jährige, nachdem er sein Sprechvermögen wieder gefunden hatte, "warum sich die Jungs das Leben immer selber schwer machen?" In der Tat: Im Keller- und Traditionsduell der Zweiten Handball-Bundesliga zwischen TuSEM Essen und dem TSV Bayer Dormagen brachte sich der von Bohrmann trainierte Aufsteiger beim 22:22 (Halbzeit 14:11) selbst um den aufgrund seiner spielerischen Überlegenheit verdienten Lohn und die daraus resultierende Chance auf den vierten Saisonsieg. Zwar nützt der eine Zähler den Gästen mehr, die dadurch in der Tabelle vor Essen und auf einem Nicht-Abstiegsplatz bleiben.

"Doch für Dormagen war das eher ein Punktverlust", bilanzierte nicht nur Matthias Reckzeh die sechzig spannenden und emotionsgeladenen Minuten vor 1352 Zuschauern im Sportzentrum Am Hallo. Der Ex-Dormagener trug als Torwarttrainer des TuSEM einiges dazu bei, dass sein früherer Klub nicht über ein Unentschieden, im übrigen das erste seit dem 16. November vergangenen Jahres, hinauskam. Denn sein Schützling Sebastian Bliß, in der 22. Minute nach langer Verletzungspause für den Spanier Carlos Donderis Vegas zwischen die Torpfosten gerückt, entnervte mit 17 Paraden, darunter drei Siebenmetern, die Dormagener so, dass sich am Ende außer dem acht Mal erfolgreichen Maximilian-Leon Bettin keiner mehr zu werfen traute auf Seiten der Gäste. Bezeichnend, dass Bliß auch zwei Sekunden vor Schluss den letzten Wurfversuch von Tobias Plaz meisterte und den Hausherren den zwischenzeitlich kaum für möglich gehaltenen Punkt rettete.

"Wenn du ständig hinten liegst, ist das am Ende ein Punktgewinn",meinte Essens einst auch beim DHC Rheinland tätiger Rückraum-Routinier Michael Hegemann. Tatsächlich führte TuSEM nur zwei Mal, zuletzt beim 3:2 (7.), und lief zeitweise einem Drei-Tore-Rückstand hinterher. Wobei die Dormagener Chancen genug hatten, ihren Vorsprung noch weiter auszubauen. "Wir hätten zur Pause höher führen müssen", monierte Co-Trainer Joachim Kurth.

Weil sich so etwas meistens rächt, hatte Essen nach 44 Minuten erstmals wieder einen Gleichstand (15:15) hergestellt. Was sich in dieser Viertelstunde abspielte, hatte mit dem eigentlichen Sinn und Zweck eines Handballspiels - nämlich, ein Tor zu erzielen - wenig gemeinsam. Stattdessen wurde es zu einem Festival der Torhüter: Sebastian Bliß wehrte in zwölf Minuten sieben Bälle ab, beim keineswegs schlechteren Sven Bartmann (am Ende 16 Paraden) waren es im gleichen Zeitraum fünf. Die Folge: Es blieb torarm, und es blieb eng (19:19, 52.). Als dann Plaz und Bettin ausnahmsweise trafen, schien beim 21:19 (55.) das Pendel wieder zugunsten des TSV auszuschlagen. Weil er am Ende aber 65 Sekunden in doppelter Unterzahl (Zeitstrafen Eisenkrätzer, 57:38, und Marquardt, 58:43) zubringen musste, hätte er die Partie durchaus noch verlieren können. Doch es blieb beim Ausgleichstreffer durch Simon Keller 32 Sekunden vor dem Abpfiff. Und bei der bitteren Erkenntnis von Jörg Bohrmann: "Spielerisch waren wir besser. Spielerisch gehören wir inzwischen zu den Spitzenmannschaften der Liga. Aber das wichtigste im Handball ist nun mal, dass du die Dinger vorne 'reinmachst."

Und da offenbaren seine Schützlinge erschreckende Schwächen. 19 Fehlwürfe waren es in der Vorwoche beim 23:28 gegen Bad Schwartau. In Essen scheiterten die Dormagener allein 22 Mal an den TuSEM-Torhütern, trafen drei Mal Pfosten oder Latte und setzten das Spielgerät ebenso oft über oder neben das Tor - von dem halben Dutzend Ballverlusten nach technischen Fehlern gar nicht zu reden. "Wenn du 24 Matchbälle nicht verwandelst, kannst du auch nicht gewinnen", bilanzierte Handball-Abteilungsleiter Walter Haase kopfschüttelnd und bekannte: "So schlimm hatte ich mir die mangelnde Chancenverwertung nicht vorgestellt." Allein die vom Siebenmeterpunkt kann die Dormagener die Liga-Zugehörigkeit kosten - seit Dienstag sind es 25 vergebene Strafwürfe in zwölf Spielen. Tritt nicht bald Besserung ein, wird Jörg Bohrmann noch öfter in seine Plastikkarte beißen müssen.

(NGZ)
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