Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhebt Anklage Ralf S. soll Wehrhahn-Anschlag monatelang vorbereitet haben

Düsseldorf · Bei einem Sprengstoff-Anschlag in Düsseldorf am S-Bahnhof Wehrhahn wurden vor 17 Jahren zehn Schüler schwer verletzt. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den im Januar festgenommenen Ralf S. erhoben.

S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf: Bomben-Anschlag im Juli 2000
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2000: Bomben-Anschlag in Düsseldorf am S-Bahnhof Wehrhahn

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Foto: Werner Gabriel

Er hat das Verbrechen von langer Hand geplant. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass Ralf S. über Monate vorbereitet hat, was am 27. Juli 2000 am Eingang zum S-Bahnhof Wehrhahn geschah. In der Anklage, die am Montag dem Gericht vorgelegt wurde, ist die Rede von mehreren Monaten, in denen S. den Anschlag vorbereitete, bei dem an jenem Sommertag neun Menschen teils schwer verletzt und das ungeborene Baby einer Schwangeren getötet wurden.

Laut Anklage hatte S. sich schon Ende 1999 über die ausländischen Schüler einer Sprachschule empört, die gegenüber seines Militarialadens an der Gerresheimer Straße unterrichtet wurden. 17 Jahre nach der Tat ist es der Kripo gelungen, mindestens einen Mann aus der damaligen Neonazi-Szene ausfindig zu machen, der in S.' Auftrag die Besucher des Deutschkurses einschüchtern sollte. Als die Sprachschüler sich dagegen mit einer demonstrativen Aktion wehrten, war das laut Anklage die Initialzündung für einen perfiden Plan.

S. soll als Untermieter die Wohnung eines Bekannten übernommen haben, um dort ungestört an einer Bombe basteln zu können. Den Umgang mit Sprengstoff hatte S. in seiner Bundeswehrzeit gelernt. Die Wohnung, in die S. nicht einmal den eigentlichen Mieter hinein ließ, gab er wenige Tage nach dem Anschlag auf.

Der heute 50-jährige S. war schon kurz nach der Tat in Verdacht geraten. Seine Ausländerfeindlichkeit war bekannt, seine rechtsextreme Gesinnung ebenso. Kurz nach der Tat, die in Düsseldorfer Nazikreisen unter der Überschrift "Bombenstimmung" gefeiert wurde, waren ausgerechnet von dort Hinweise auf S. bei den Ermittlern gelandet. Bei den Neonazis galt S. als Spinner, von dem man sich erzählte, er mache in Tarnkleidung nächtliche Wehrübungen im Stadtteil Flingern.

Nachweisen konnte die "Ermittlungskommission (EK) Acker" (die Bombe detonierte am Bahnhofseingang an der Ackerstraße) dem selbst ernannten "Sheriff von Flingern" damals allerdings nichts. Erst, nachdem er sich während eines Gefängnisaufenthalts einem Mitgefangenen gegenüber mit der Tat gebrüstet hatte, war die neue "EK Furche" in den alten Akten auf Hinweise gestoßen, die zusammen mit neuen Erkenntnissen deutlicher auf S. zeigten. Noch deutlicher wurden diese, als die Fallanalytiker des Landeskriminalamts anhand der aktenkundigen Fakten über den Anschlag ein Täterprofil erstellten, das verblüffend genau die Persönlichkeit von Ralf S. spiegelt.

Die Anklage verfügt längst nicht nur über das Geständnis im Gefängnis. Andere Zeugen sollen etwa berichtet haben, dass S. Jahre nach dem Wehrhahn-Anschlag einmal darüber sinniert hatte, er hätte doch "maximal eine Abtreibung" begangen. Zeuginnen, die damals zu seinem engeren Umfeld gehörten, erinnern sich inzwischen, dass S. die Tat angekündigt hatte. Einer soll er erzählt haben, die Polizei habe bei den Durchsuchungen seiner Räume nichts gefunden, weil er die "scharfen Sachen" so versteckt habe, dass sie auch von Spürhunden nicht entdeckt werden konnten.

Dass sein Ausländerhass in den Monaten vor und auch nach der Tat Züge von Besessenheit angenommen hatte, haben mehrere Zeugen bestätigt. Ein Psychiater kam allerdings zu dem Schluss, dass S. in jedem Fall voll schuldfähig war — dafür spreche vor allem das extrem zielgerichtete Planen und Ausführen der Tat.

Alte und neue Ermittlungsergebnisse addieren sich inzwischen zu einer Akte, die etliche Umzugskisten füllt. Manche Ermittlungen waren erst nach S.' Verhaftung im Februar möglich gewesen, um den Verdächtigen nicht zu warnen. Der bestreitet die Tat, auch in teils wirren Schreiben an unsere Redaktion.

Die Verteidigung hat nun vier Wochen Zeit, Stellung zur Anklageschrift zu nehmen. Dann wird das Landgericht über die Zulassung entscheiden. Dort ist man auf einen schnellen Prozessbeginn vorbereitet: Schon im Januar könnte die Hauptverhandlung im Schwurgericht eröffnet werden. Sechs der bei dem Anschlag verletzten Menschen wollen als Nebenkläger an der Verhandlung teilnehmen.

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