Stahlwerk-Standorte in Düsseldorf "1000 Jobs bei Vallourec gestrichen"

Düsseldorf · Während in Frankreich Walzwerke geschlossen werden, bleiben die deutschen Standorte, Rath, Reisholz und Mülheim erhalten.

 Karl-Heinz Schmidt (l.) ist Betriebsratschef des Vallourec-Werks in Rath, Ayhan Üstün steht dem Betriebsrat im Werk Reisholz vor.

Karl-Heinz Schmidt (l.) ist Betriebsratschef des Vallourec-Werks in Rath, Ayhan Üstün steht dem Betriebsrat im Werk Reisholz vor.

Foto: Andreas Bretz

Die Firma Vallourec (früher Mannesmann) steckt in einem tiefgreifenden Wandel und vor einem der größten Stellenabbauprozesse Ihrer Geschichte. Welche Folgen hat das für die Werke in Rath und Reisholz?

Schmidt Die im Werk in Rath produzierten Rohre werden vor allem in der Öl- und Gasförderung gebraucht. Und genau diese Märkte stecken zurzeit in einer tiefen Krise. Der Ölpreis ist im Keller. Es lohnt sich vielerorts gar nicht, neue Ölfelder zu erschließen. Das wirkt sich in einem deutlichen Rückgang der Nachfrage nach den Rohren aus Rath aus. Wir fahren bereits seit sieben Monaten Kurzarbeit im Werk.

Was sind die Folgen für die Beschäftigten in Deutschland?

Schmidt Unsere Verhandlungen mit dem Arbeitsdirektor haben zum Ergebnis, dass 1000 deutsche Stellen in den kommenden Jahren abgebaut werden, darunter sind auch mehr als 250 Leiharbeiter. Ein Teil der Stellen kann auch durch den Abbau der Mehrarbeit reduziert werden.

Wird es einen Sozialplan und betriebsbedingte Kündigungen geben?

Schmidt Wir sind sehr, sehr froh, dass wir uns mit der Geschäftsleitung dahingehend einigen konnten, dass es keine Kündigungen gibt - und auch keinen Sozialplan.

Warum ist ein Sozialplan schlecht?

Üstün Ein Sozialplan hätte zur Folge, dass vor allem junge Mitarbeiter das Unternehmen verlassen würden. Das wäre aber weder aus Arbeitnehmer- noch aus Arbeitgebersicht sinnvoll. Wir alle glauben an eine Zukunft unserer Werke. Deswegen haben wir eine für alle Seiten bessere Alternative erarbeitet.

Und diese Alternative sieht wie aus?

Üstün Wir haben, was sich gerade als sehr vorteilhaft herausstellt, einen relativ hohen Altersdurchschnitt. Das macht es möglich, einen großen Teil des Stellenabbaus dadurch aufzufangen, dass Mitarbeiter ab 63 in den vorzeitigen Ruhestand geschickt werden. Einen weiteren großen Teil können wir durch Altersteilzeitregelungen auffangen, das sind ungefähr 170 Mitarbeiter. Ich möchte betonen, dass es sich dabei insgesamt ausschließlich um freiwillige Maßnahmen handelt. Von denen die gehen, haben viele mit 15 Jahren beim Vorgängerunternehmen Mannesmann angefangen und ein sehr langes Berufsleben körperlich hart und im Schichtbetrieb gearbeitet. Manchen ist der etwas frühere Ruhestand gerade gar nicht ungelegen.

Wie verteilt sich der Stellenabbau auf die Werke in Rath und in Reisholz?

Schmidt Allein 500 Stellen entfallen fast vollständig auf das Rather Werk im Düsseldorfer Norden.

Üstün Im Werk in Reisholz haben wir eine ganz andere Lage. Dort entstehen die ganz dicken Rohre, wir nennen sie Kesselrohre. Sie werden fast ausschließlich im Kraftwerksbau eingesetzt. 90 Prozent des Weltmarktes liegt zurzeit in China. Davon hat Reisholz in den Jahren 2002 bis 2010 extrem profitiert. Danach gab es eine Delle und wir mussten in Reisholz Stellen abbauen. Doch dann kam ein China-Boom beim Kraftwerksbau. Die Chinesen bauen extrem viel neu, so dass die Nachfrage wieder anzog. Daher bauen wir in Reisholz derzeit sogar Personal auf.

Können Mitarbeiter, für die es in Rath keine Arbeit mehr gibt, jetzt nach Reisholz wechseln?

Schmidt Einige können das sicher. Vor allem in den Bereichen, in denen die Arbeiten sehr ähnlich sind.

Wie ist die Situation, wenn der China-Boom bei den Kesselrohren aufhört?

Üstün Das ist unsere große Furcht. Der Standort Reisholz ist vom Kesselrohr abhängig. Die strukturelle Abhängigkeit Vallourecs von nur einem Produkt ist keine Strategie für die Zukunft. Die Produktdiversifikation wurde vernachlässigt.

Wie ist die Stimmung in Rath?

Schmidt Miserabel. Aber niemand aus unseren Reihen gibt an den aktuellen Maßnahmen der deutschen Geschäftsführung die Schuld. Es liegt daran, dass wir keine Märkte haben. Deutschlandchef Norbert Keusen und sein designierter Nachfolger Ulrich Menne - auch Arbeitsdirektor Herbert Schaaff - haben sich in den Verhandlungen als Leute herausgestellt, auf die man sich verlassen kann.

In Frankreich ist die Lage dramatischer?

Üstün In der Tat werden in Frankreich, dem Heimatland von Vallourec, zwei Walzwerke geschlossen. Alle drei deutschen Standorte Mühlheim, Reisholz und Rath bleiben dagegen trotz dieser tiefen Krise erhalten. Trotz der Trauer um die gestrichenen Jobs in Deutschland müssen wir ganz klar sagen: Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen?

Was erwarten Sie vom neuen Vallourec-Chef Ulrich Menne?

Schmidt Wir sind froh, dass wieder ein deutscher Geschäftsführer den Vorsitz übernommen hat, der auch die Erfahrung aus den Walzwerken mitbringt. Der weiß, wie Mitarbeiter aber auch Betriebsräte ticken. Er ist der Richtige, der uns auf dem Weg durch die tiefe Krise begleitet.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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