Gymnasium in Düsseldorf 110 Schulstunden in sechs Monaten ausgefallen

Düsseldorf · Die Düsseldorferin Gudrun Brandt-Schaar führte Buch über den Unterrichtsausfall ihrer Tochter - und nennt jetzt drastische Zahlen fürs vergangene halbe Jahr. Die Schulleitung ihres Gymnasiums spricht von einem Einzelfall.

 Die besorgte Mutter in ihrem Arbeitszimmer. Auf Zetteln hat sie den Unterrichtsausfall ihrer Tochter genau dokumentiert.

Die besorgte Mutter in ihrem Arbeitszimmer. Auf Zetteln hat sie den Unterrichtsausfall ihrer Tochter genau dokumentiert.

Foto: David Young

Gudrun Brandt-Schaar beugt sich über ihre Notizen. "Was zu viel ist, ist zu viel", sagt sie. Mit dem "zu viel" meint sie eigentlich ein "zu wenig". Aufgeschrieben hat sie ein halbes Jahr lang den ausgefallenen Unterricht ihrer 15-jährigen Tochter. Die besucht das Gymnasium Gerresheim, geht dort in die 10. Klasse. Neben den Monaten steht jeweils die Summe der ausgefallenen Stunden: September (17), Oktober (41), November/Dezember (36). Die Liste hat sie bis ins Frühjahr hinein fortgeführt. "Ich komme auf mindestens 110 Stunden", sagt die Realschullehrerin. Besonders nachdenklich machen sie die Ausfälle in Deutsch ("bis der neue Lehrer seine Stelle antrat, verging ein Monat, in dem es keinen Unterricht gab") und Italienisch ("im Januar und Februar fielen 14 von 26 Stunden aus").

Die Gründe kennt sie als Pädagogin aus eigener Anschauung: mal sind es Langfrist-Erkrankungen, mal Schwangerschaften, mal Kurs- und Klassenfahrten. Sorgen macht sich die 54-Jährige trotzdem. "Kann man das überhaupt nachholen? Und was bedeutet eine Note 2 in der Italienisch-Klausur, wenn die Hälfte der Stunden gar nicht stattgefunden hat?", fragt sie und will wissen, was man "an dieser unbefriedigenden Situation ändern kann".

Cornelia Wilfert, kommissarische Leiterin des Gymnasiums, versteht die Nöte der Mutter. Die habe die Ausfälle "im Wesentlichen korrekt" aufgeschrieben. Freilich stehe das Beispiel nicht für die ganze 10. Jahrgangsstufe, erst recht nicht für die ganze Schule. In dieser Form sei das ein Einzelfall. So habe die Tochter ausgerechnet bei Lehrern Unterricht gehabt, die gleichzeitig mit einer anderen Klasse im Schullandheim gewesen seien. Diese Aufenthalte für die Fünft- bis Achtklässler hält Wilfert für die Heranbildung einer echten Klassengemeinschaft für "enorm wichtig". Trotzdem will sie das Fahrtenkonzept "auf den Prüfstand stellen".

Brandt-Schaars Ärger richtet sich denn auch nicht in erster Linie gegen die Schule. Der Bezirksregierung hat sie einen langen Brief geschrieben, in dem sie fragt, warum die Fortbildung für die Kunstlehrerin bereits um 14 Uhr beginnen muss statt beispielsweise um 15 Uhr. "Dann hätte am Mittwoch die sechste Stunde Kunst nicht dauernd ausfallen müssen", meint die Vennhausenerin. Und auch die Tatsache, dass es mehrere Wochen keinen Deutsch-Unterricht gab, weil der alte Lehrer schon weg, der neue aber noch keinen Vertrag hatte, hat sie hinterfragt. In ihrer Antwort bestätigt die Bezirksregierung die Beobachtungen der Mutter. Unglückliche Umstände und das besondere Fahrten-Konzept seien die Ursachen. Der Idee, mehr Vertretungsunterricht zu ermöglichen, widerspricht die Schulrätin allerdings. Das könne in der Oberstufe nicht mehr gewährleistet werden. Das Mittel der Wahl seien vielmehr "zielführende Arbeitsaufträge für das eigenverantwortliche Lernen". Von den Schülern müsse man erwarten, "dass diese Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt auch bearbeitet werden", schreibt die Behörde. Brandt-Schaar blickt ein wenig ratlos. "Im G8-System ist die 10. Klasse plötzlich Oberstufe. Ich frage mich, ob man das von 15-Jährigen wirklich schon erwarten kann."

(jj)
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