Düsseldorfer Geschichten 60 Jahre Blitzer

Düsseldorf · 1957 starteten in der NRW-Landeshauptstadt die modernen Tempokontrollen - und lösten damit eine sehr aufwendige Methode ab.

 Links der Radarstrahler, rechts eine Blitzlichtlampe mit eingebauter Kamera: Ein solches Modell (hier aufgenommen in Frankfurt) wurde in Düsseldorf genutzt. Die Aufnahme stammt vom Juni 1959.

Links der Radarstrahler, rechts eine Blitzlichtlampe mit eingebauter Kamera: Ein solches Modell (hier aufgenommen in Frankfurt) wurde in Düsseldorf genutzt. Die Aufnahme stammt vom Juni 1959.

Foto: Dpa/Richard Koll

Der Landesverkehrsminister kann im Herbst 1962 in Düsseldorf einen vermeintlich erfreulichen Wert verkünden: acht Prozent Rückgang bei den Verkehrstoten. Das klingt gut - bis man sich die absoluten Zahlen anschaut. Im ersten Halbjahr 1961 waren in NRW 1897 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet worden, im ersten Halbjahr 1962 dann 1747. Seit 1955 waren im gesamten Bundesland knapp 25.000 Menschen im Straßenverkehr gestorben.

Da zu hohe Geschwindigkeit zu den wesentlichen Unfallursachen zählte, feierte in jener Zeit eine Technik Premiere, die bis heute im Einsatz ist: die Radarkontrolle. Historiker und Archivare haben Schwierigkeiten, den genauen Start zu datieren, in einer Reihe von Publikationen wird der 21. Januar 1957 genannt. Die ersten Tests wurden mit dem Gerät namens VRG 1 von Telefunken in Düsseldorf gemacht, auch beim Nachfolger VRG 2 war die NRW-Landeshauptstadt der erste Standort in Deutschland.

Nur wenige Jahre zuvor war die Lage noch eine gänzlich andere. Im Januar 1953 waren die Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autos und Motorräder gefallen. Danach galt nur noch eine Regel: Der Fahrzeugführer hatte seine Geschwindigkeit "so einzurichten, dass er jederzeit in der Lage war, seinen Verpflichtungen im Straßenverkehr Genüge zu leisten". Städte und Gemeinden protestierten gegen diese Regelung und erhielten die Möglichkeit, auf einzelnen Straßen Höchstgeschwindigkeiten festzulegen, wenn sie denn am Rand dieser Straßen entsprechende Schilder aufstellen. Davon machten die Kommunen reichlich Gebrauch, so dass Ende 1954, Anfang 1955 auch Kontrollen des neuen zulässigen Höchsttempos gestartet wurden. Am 1. September 1957 wurden 50 km/h als zulässige Höchstgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften definiert.

Wie die Kontrollen vor der Radarkontrolle aussahen, deutet ein Schnellbrief des Landesinnenministers an die Regierungspräsidenten vom 4. November 1954 an: "Die Geschwindigkeiten sind mit Hilfe von Funkgeräten und zwei unabhängig voneinander arbeitenden Stoppuhren, die vorher zu justieren sind, zu ermitteln. Bei einwandfrei festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 10 km/h sind Anzeigen aufgrund des Kennzeichens und der Fahrzeugbeschreibung vorzulegen."

Diese Vorgabe war in der Praxis mit entsprechendem Aufwand verbunden: Am Anfang und Ende einer Strecke von 500 Metern waren je zwei Polizisten in Zivil postiert, die die gefahrene Geschwindigkeit mit der erwähnten Stoppuhr ermittelten. Einer von ihnen trug einen Kasten auf dem Rücken, Teil eines Funkgeräts, mit dem die Beamten die letzten drei Zahlen der Zulassungsnummer an ihre Kollegen durchgaben. An der dritten Station der Strecke, dem Anhalteposten, standen zwei uniformierte Polizisten und sollten die Temposünder anhalten. Ein Schreiben des Landesinnenministers vom 31. Oktober 1962 verdeutlicht, was den Fahrern dann drohte: "Bei leichteren Überschreitungen sind gebührenpflichtige Verwarnungen von 3 oder 5 DM zu erteilen."

Dieses Prozedere war ebenso aufwändig wie fehleranfällig. Deshalb wurde die neue Technik getestet und eingeführt, so dass die Schutzpolizei schon im November 1960 eine entsprechende Anweisung erhielt: "Nach Einführung des Verkehrs-Radarwagens (VRG 2) als technisches Überwachungsgerät erübrigt sich die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen unter Verwendung von Fernmeldegeräten und Stoppuhren."

Der 20.000 Mark teure VRG 2 bestand aus zwei Kästen, die wie Fernseher aussahen und auf Dreibeiner platziert wurden, die ihren ersten Arbeitstag zwischen Düsseldorf und Ratingen erlebten. Der Apparat machte seine Fotos damals noch von der Rückseite des Autos, auf dem Bild war dann oben rechts das Tempo des Rasers vermerkt. Die Polizei musste den Sünder nur noch anhalten und ein pädagogisch wertvolles Gespräch mit ihm führen. Schon bald ging jener Protest los, der bis heute anhält. Der ADAC schrieb als "Vertreter der Kraftfahrt" Briefe an den Minister, und vor Gericht kämpften Autofahrer gegen ihre Bußgeldbescheide. Mit sehr überschaubarem Erfolg: Zwischen 1959 und 1962 gab es in NRW 3641 Einsprüche gegen Zahlungsbescheide, 236 hatten Erfolg.

Düsseldorf blieb auch in der Folge ein Ort für besondere Kontroll-Technik. Im Dezember 2004 richtete die Stadt die erste Großanlage mit sechs Starenkästen an der A44 ein. Fünf Jahre später wurde eine Lösung für den Problemfall Rheinufertunnel gefunden: Raser können dort erwischt werden, ohne dass ein orangener Blitz zur Gefahr für die allgemeine Sicherheit wird. In der Röhre sind Schwarzlicht-Blitzer installiert. Blitzer, die ohne Induktionsschleife im Boden auskommen, stehen auf der Fleher Brücke. Sie sind allerdings juristisch recht erfolgreich bekämpft worden, so dass sie aktuell nur für eine Fahrtrichtung und nur während der Bauarbeiten scharf geschaltet sind.

Die A46 könnte auf diesem Abschnitt noch einmal Schauplatz der Düsseldorfer Radargeschichte werden. Stadt und Land möchten gerne das Tempo auf einem ganzen Abschnitt statt nur an einer Stelle überprüfen (section control).

(hdf)
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