Christian Rätsch Agentur Saatchi verlegt Sitz nach Düsseldorf

Düsseldorf · Der Agenturchef über die Standortvorteile Düsseldorfs, den Trend zur digitalen Werbung und das nicht mehr gerechte Image der Stadt.

Herr Rätsch, bislang hat Ihre Werbeagentur zwei Sitze, Frankfurt am Main und Düsseldorf, warum?

Rätsch Dass wir zwei Headquarters haben, ist bei uns historisch gewachsen. Es war viele Jahre so, dass für uns Werbekunden wie VISA oder Procter & Gamble mit Sitz in den Vereinigten Staaten wichtig waren und auch aus Deutschland betreut wurden - eben so Kunden in London. Daher war Frankfurt für dieses Segment wegen seines großen internationalen Flugdrehkreuzes ideal.

Was planen Sie jetzt?

Rätsch Wir verlegen die Niederlassung von Frankfurt hier nach Düsseldorf an die Toulouser Allee, wo auch bislang der Düsseldorfer Standort war. Damit wird die NRW-Landeshauptstadt zur alleinigen Deutschlandzentrale von Saatchi & Saatchi.

Warum verlegen Sie die Zentrale vom Main an den Rhein?

Rätsch Unsere Kundenstruktur bei Saatchi & Saatchi hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert. Wir haben heute kaum noch Kunden in der Region Frankfurt und auch die Bedeutung der internationalen Kunden hat abgenommen. Statt Kunden zu importieren, begleiten wir sie aus Deutschland heraus ins Ausland.

Welche Kunden sind ausschlaggebend?

Rätsch Wirtschaftlich relevant sind heute für uns vor allem die Kunden im Rheinland beziehungsweise in Nordrhein-Westfalen. Ich denke da an Toyota in Köln, an Vorwerk in Wuppertal, die Targo-Bank in Düsseldorf, die Telekom im gar nicht weit entfernten Bonn und Vaillant - der Heizungsbauer hat seinen Sitz im bergischen Remscheid. Das sind alles Orte, die von Düsseldorf aus wesentlich besser als von Frankfurt betreut werden können.

Vor welcher Wahl standen Sie?

Rätsch Wir mussten uns entscheiden zwischen Frankfurt am Main, Berlin - unserem Geschäftskundenstandort - und Düsseldorf. Frankfurt schied aus den genannten Gründen aus.

Warum dann nicht das hippe Berlin?

Rätsch In Düsseldorf ist der Arbeitsmarkt für die Werbebranche sehr gut. Hier sind viele kreative Köpfe, allein schon, weil auch viele unserer Wettbewerber ihre Europa- oder Deutschland-Zentralen hier in Düsseldorf haben, denken Sie an BBDO, Grey, HAVAS und die vielen kleinen Agenturen hier am Rhein. Der Arbeitsmarkt hier war für uns der zweite entscheidende Standortvorteil. Hier ist dieser top.

Wie bewerkstelligen Sie den Umzug von Frankfurt nach Düsseldorf?

Rätsch Wir versuchen, möglichst viele Mitarbeiter aus Frankfurt zum Umzug nach Düsseldorf zu bewegen. Auch das wäre mit Berlin schwieriger geworden, gerade für Angestellte mit Familien, es ist also ein Argument, das für den Standort Düsseldorf spricht. Berlin ist sehr attraktiv für Menschen unter 30 Lebensjahren. Doch genau dann, wenn viele auch eine Familie gründen, ändert sich das schlagartig. Und dann ist der Standort Düsseldorf vorn.

Wie groß ist der Düsseldorfer Standort von Saatchi & Saatchi nach dem Umzug?

Rätsch Heute sind 70 Mitarbeiter in Frankfurt, 70 weitere in Berlin und 65 hier in Düsseldorf. Zum Jahresende sollen bereits 120 Mitarbeiter in Düsseldorf arbeiten. Wir schaffen aber auch neue Stellen, mittelfristiges Ziel sind 150 Mitarbeiter vor Ort. Und es gibt bei Saatchi & Saatchi auch einen Paradigmenwechsel. Das Netzwerkprinzip wurde quasi umgedreht. Saatchi & Saatchi arbeitet heute wie eine inhabergeführte Werbeagentur.

Wie wirkt sich der Digitale Wandel auf Ihre Branche und Ihre Agentur aus?

Rätsch Früher waren wir eine extrem TV-orientierte Agentur. Die Zeiten sind vorbei. Heute machen Fernsehaufträge gerade mal noch zehn Prozent unseres Geschäfts aus. Der Digital-Umsatz dagegen wuchs auf mehr als 60 Prozent - Tendenz weiter steigend. So machen wir zum Beispiel E-Commerce für die Deutsche Telekom und die Online-Apotheke von DocMorris, mit Apothekerberatung per Video-Zugriff. Heute ist Interaktion wichtiger als Penetration. Die Erfolgsrezepte heißen "entertain me" und "help me".

Wie war es, in Düsseldorf einen geeigneten Bürostandort zu finden?

Rätsch Wir teilen uns die Büros ja zurzeit an der Toulouser Allee mit unserer Schwesteragentur Vivaki, die hier ebenfalls ihre Zentrale hat. Jetzt kämpfen wir um die Räume für die neuen Mitarbeiter und die Umzügler. Im Moment sitzen wir eng, auf wenigen Quadratmetern pro Mitarbeiter. Im Übergang ist das gut für die Teambildung und das Arbeitsklima. Ein Dauerzustand ist das aber nicht.

Was halten Sie von Modellen wie bei Siemens und Vodafone, wo sich mehrere Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen?

Rätsch Natürlich denken wir immer über Homeoffice und alternative Arbeitsmodelle nach. Teamarbeit ist uns aber wichtig. Gerade, wenn unterschiedliche Gewerke zusammen arbeiten, ist räumliche Nähe vorteilhaft. Grundsätzlich stimme ich aber zu, dass durch die Digitalisierung nicht jeder Kollege immer direkt vor der Nase sitzen muss.

Wie bewerten Sie als Werber die Marke Düsseldorf?

Rätsch Da gibt es zwei Elemente: erstens das Image, zweitens die Substanz. Düsseldorfs Substanz ist super, Düsseldorfs Image ist verbesserungswürdig. Dieses Image ist etwas veraltet und geprägt von Kö und Mode. Und das wird dem heutigen Düsseldorf nicht mehr gerecht.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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