Häftlinge brauten selbst Alkohol Alkoholvergiftung in der Ulmer Höh'

Düsseldorf · In einem Arbeitsraum hatten die Männer heimlich Schnaps angesetzt. Mit Vergiftungserscheinungen mussten 14 von ihnen anschließend in Krankenhäuser gebracht werden. Beim Freigang am Montagnachmittag waren erste Betrunkene aufgefallen.

 Ein Gefangener der Ulmer Höh', der beschuldigt worden war, einen Mithäftling (16) vergewaltigt zu haben, wurde vom Gericht freigesprochen.

Ein Gefangener der Ulmer Höh', der beschuldigt worden war, einen Mithäftling (16) vergewaltigt zu haben, wurde vom Gericht freigesprochen.

Foto: Luftbild

Sie nennen es Häftlingsbowle oder Knast-Sangria: selbstgemachten Alkohol, aufgesetzt aus allem, was der Alltag hinter Gittern so hergibt. In der Ulmer Höh' haben sich Gefangene am Montag ein solches Gebräu gegönnt, hergestellt aus vergorenem Obst und Zucker. Für 14 Männer zwischen 25 und 35 Jahren endete die Party im Arbeitsraum auf der Intensivstation.

"Es geht dabei nicht um Geschmack oder Genuss", sagt Anstaltsleiter Bernhard Lorenz. "Es geht um die schnelle Wirkung." Immer mal wieder entdecken Vollzugsbeamte in den Zellen Aufgesetzten in Gefäßen aller Art. "So selten ist das nicht", sagt Lorenz. Bloß eben nicht so gefährlich wie der Inhalt des Eimers, den gestern die Kripo sichergestellt hat.

Wie jeden Tag waren die 14 Männer am Montag zur Arbeit gewesen — Montagearbeiten für eine Firma außerhalb. Die liefert das Material in Eimern an. In einem davon hatten die Männer vermutlich schon vor ein paar Tagen ihren Schnaps angesetzt und ihn dann im Materiallager versteckt.

Gegen 15 Uhr war im Freistundenhof der Erste aufgefallen: laut, aggressiv und unsicher auf den Beinen. Als er einen Stuhl zertrümmerte, konnten die Vollzugsbeamten riechen, dass dieser Gefangene nicht bloß schlechte Laune hatte. Der offensichtlich Volltrunkene wurde in einem videoüberwachten Haftraum untergebracht.

Als wenig später klar wurde, dass auch andere Männer zumindest angetrunken waren, mussten alle aus dem Hof zum Alkoholtest. Ergebnis: Einer hatte zwei Promille, zwölf zwischen 0,08 und 1,8 Promille. Drei weigerten sich, ins Röhrchen zu pusten. "Die wurden behandelt wie die offensichtlich Alkoholisierten", so Lorenz. Wegen Vergiftungsgefahr bedeutete das auf Anweisung des Gesundheitsamts: Krankenhaus für jeden mit einem Atemalkoholwert von mehr als 0,0. Eine logistische Herausforderung — schließlich mussten die Inhaftierten nicht bloß medizinisch versorgt, sondern auch bewacht werden. Ein Dutzend Vollzugsbeamte wurde aus dem Feierabend geholt, auch Polizisten halfen mit. "Das lief alles reibungslos — die haben alle toll gearbeitet", sagt Lorenz, der selbst bis zum späten Abend in der JVA blieb.

Elf Männer brachte die Feuerwehr nach und nach in verschiedene Krankenhäuser, drei besonders aggressive kamen ins Justizvollzugskrankenhaus nach Fröndenberg. "Zum Glück ist keiner ernstlich erkrankt. Ab 23 Uhr konnten wir die ersten wieder zurückholen", sagt Lorenz. Seit gestern Mittag sind alle 14 Gefangenen zurück in Düsseldorf — mancher mit einem ordentlichen Kater.

Die Zutaten für das Gebräu, das nach ersten Erkenntnissen der Kripo zwischen elf und 15 Volumenprozent hat, können sich die Häftlinge vom Essen abgespart haben. Brot (als Hefelieferant), Obst oder vergorener Fruchtsaft sind in Verbindung mit Zucker gut zur Alkoholherstellung geeignet.

An echte Hefe kommen die Gefangenen nicht heran. Im Anstaltseinkauf gibt es die so wenig zu kaufen wie Pfeffer — der gilt als riskant, weil er, dem Gegenüber in die Augen geblasen, als Waffe einsetzbar wäre. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kommt es immer wieder zu Zwischenfällen in der JVA. Dabei ist selbstgemachter Alkohol die Ausnahme. Eingeschmuggelte Ecstasy-Pillen oder andere Drogen sind leichter zu verstecken und ihre Beschaffung längst nicht so mühselig ist wie die Alkoholherstellung. Deshalb seien Drogen das größere Problem, bestätigen Vollzugsbeamte.

Dass die Gefangenen in der Werkstatt auch andere, womöglich brisantere Mischungen als den Alkohol hätten anrühren können, schließt Lorenz aus. "Sie haben keinen Zugang zu potenziell gefährlichen Werkzeugen und Materialien." Lorenz stellt sich auch vor sein Personal. Dass die Beamten den übelriechenden Cocktail nicht entdeckt haben, "kann passieren." Künftig werde man eben auch dieses Versteck "auf dem Schirm" haben. Disziplinarmaßnahmen gegen die Mitarbeiter seien nicht nötig.

Die Gefangenen werden mit JVA-internen Strafen rechnen müssen. Für sie sind die beliebten Jobs in der Werkstatt beendet, außerdem drohen TV-Verbot und Einschränkungen beim Einkauf. Einige der Männer sollen im Oktober entlassen werden. Daran wird wohl auch das Gelage nichts ändern — die Herstellung von Alkohol ist zwar gegen die Hausordnung, aber keine Straftat. Gleichwohl prüft zurzeit Staatsanwalt Christoph Kumpa, ob die Brauer sich der fahrlässigen Körperverletzung an den Zechkumpanen schuldig gemacht haben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort