Düsseldorferin Helene Kersten "Als Trümmerfrau fühle ich mich verunglimpft"

Düsseldorf · Helene Kersten beseitigte nach dem Krieg den Schutt von den Straßen und klopfte Steine. "Wir waren keine Nazis", sagt die 87-Jährige.

 Helene Kersten hofft, dass man die schwere Aufbauarbeit der Trümmerfrauen anerkennt.

Helene Kersten hofft, dass man die schwere Aufbauarbeit der Trümmerfrauen anerkennt.

Foto: Anne Orthen

Die Düsseldorferin Helene Kersten erinnert sich noch sehr genau daran, wie sie als 19-Jährige mit einer Schaufel die Trümmerreste von den Straßen räumte und stundenlang mit einem Hammer den Mörtel von den Ziegelsteinen zerstörter Häuser abklopfte, damit sie für den Wiederaufbau genutzt werden konnten.

Für die harte Arbeit bekam sie ein paar Lebensmittelmarken - für etwas Brot, ein paar Gramm Butter und Zucker. Mittags gab es für die Frauen eine karge Suppe. "Erbsensuppe oder in Wasser gekochte Möhren. Einmal gab es eine Woche lang nur Möhrensuppe, seitdem mag ich sie nicht", sagt die inzwischen 87-Jährige.

Doch die schwere Arbeit und das Hungern in ihrer Geburtsstadt Dortmund machten ihr nichts aus: "Ich habe die Arbeit gerne gemacht, wir waren alle glücklich, dass der Krieg und die Nazi-Zeit vorbei waren und wir neu anfangen konnten."

Dass die Grünen vor ein paar Tagen in München ein Gedenkstein für die Trümmerfrauen der Stadt mit einem braunen Sack verhüllten, auf dem "Den Richtigen ein Denkmal. Nicht den Alt-Nazis" stand, hat Helene Kersten verärgert. Sie fühlt sich verunglimpft: "Es waren doch vor allem Frauen, die den Wiederaufbau des Landes möglich machten. Häuser, Straßen: Alles lag in Trümmern." Mütter brachten ihre Babys und Kinder mit zur Arbeit, weil sie niemanden hatten, der sich um sie kümmern konnte, sagt Kersten: "Und wir waren keine Nazis und haben auch nicht mit den Nazis in den Trümmern gearbeitet."

Kersten, geborene Schmidt, stammt aus einer traditionsreichen Familie von Sozialdemokraten. "Das Parteibuch meiner Großmutter ist von 1901 und mein Vater war nie Mitglied in der NSDAP, obwohl sein Chef ihn oft drängte", sagt sie. Auch "Leni" trat keiner Nazi-Organisation bei, schloss sich dem "Bund Deutscher Mädel" nie an.

In der Öffentlichkeit versuchte die Familie Kersten aber nicht aufzufallen. "Wenn uns auf der Straße jemand den Hitler-Gruß zeigte, hoben wir die Hand und sagten ,Heil Hitler?, das ging nicht anders", sagt die Knittkuhlerin. "Meine Familie sagte immer, dass wir stickum sein müssen, also leise, und in der Öffentlichkeit nicht aussprechen, was wir wirklich denken."

Doch Leni gelang das nicht immer. Nach den Bombenangriffen auf Dortmund im Mai 1943 verfluchte sie in dem Keller, in dem sie mit ihrer Familie und den Nachbarn Schutz suchte, den Mann, "der all das über uns gebracht hatte: Hitler." Doch es gab keine Konsequenzen. "Nach den Angriffen auf Deutschland hörte man über solche Dinge weg."

Helene Kersten hofft, dass es den Grünen mit ihrer Aktion nicht gelungen ist, das Ansehen der Trümmerfrauen zu schmälern: "Wir haben alles getan, um dieses Land vorwärts zu bringen. Das sollte man anerkennen."

(rl)
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