Seit 1. Mai: Rauchen verboten! Als verqualmte Kneipen Geschichte wurden

Düsseldorf · In der Nacht zum Mittwoch waren die Aschenbecher noch einmal richtig voll. Tags drauf war die Altstadt völlig leer.

Düsseldorf: Das sind die Rauchoasen
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Die letzte gesetzlose Nacht

Natürlich verwundert es nicht, dass sich so viele Menschen an der Bolkerstraße eingefunden haben. Es gilt, ein letztes Mal die Freiheit zu genießen, die letzten Zigaretten in geschlossenen, der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen zu rauchen. Und man macht das in bewährter Bolkerstraßen-Manier: laut, betrunken, durchaus ausgelassen.

Nicht mit jenem feierlichen Ernst, mit dem das Kapitel "Rauchen in Gesellschaft" einst begann: Als Edward VII. 1901 den englischen Thron übernahm, sagte er: "Gentlemen, you may smoke!" Dies war das Ende des viktorianischen Zeitalters und zugleich der Anfang der Moderne.

In der Düsseldorfer Altstadt endet diese Moderne am 30. April 2012 mit einer riesigen Party, wobei viele gar nicht wissen, welcher Tag heute ist, was dieser Tag bedeutet. Zum Beispiel vor dem Ballermann 6, "Was? Heute darf ich nicht mehr rauchen, krass, Alter", sagt Enrico aus Moers etwa, wenn man ihn denn nach seiner Meinung fragt.

Er will weiter rauchen an diesem Abend, sagt er, auch nach 0 Uhr, und er ist nicht der Einzige. Niemand in der Altstadt denkt heute darüber nach, um Mitternacht ins neue System zu wechseln. Die Bedienung eines Ladens auf der Ratinger Straße sagt, "dann hätte man heute von Anfang an nicht rauchen lassen dürfen. Den Leuten, wenn sie betrunken sind, die Zigaretten zu verbieten, ist dann doch zu hart." Und so ist diese Nacht in der Altstadt eine gesetzlose Nacht. Zumindest in den Stunden nach 0 Uhr. Die Gesetzlosen trinken Altbier und stehen vor Diskotheken an, um sich von schwarzen Anzügen, in die man kurz geschorene Südländer gesteckt hat, mustern zu lassen.

"Irgendwie gehört rauchen ja dazu", sagt einer in der Schlange vor einem Club in der Flinger Straße. Auch in dem Club, wobei seine Aussichten erst einmal hereinzukommen, um gegen das Gesetz zu verstoßen eher mager sind. Der Laden ist voll, er ist alleine, angeblich warten drinnen Freunde auf ihn, doch der Türsteher scheint die Geschichte schon einmal gehört zu haben. Viel ließe sich in einer Nacht wie dieser ja noch kompensieren: Es ist relativ warm, kein Regen - da spielt sich das Leben eh meist draußen ab.

Mutmaßlich tritt das Gesetz zum Nichtraucherschutz ja auch deshalb gerade am 1. Mai in Kraft und nicht beispielsweise am 1. November. Zurzeit empfindet es noch niemand als Schikane, seine Zigarette draußen zu rauchen. Manche gehen schon jetzt extra zum Rauchen raus. Treffen sich auf der Straße, um sich zu unterhalten, weil es drinnen eh zu stickig oder zu laut ist.

Beim Uerige kommt außerdem noch etwas Besonderes hinzu. "Es ist ja warm, da fällt es den meisten ein bisschen leichter, nach draußen zu gehen", sagt ein Köbes. Hier will man die Gäste sanft an das neue Gesetz gewöhnen, stehen doch auch die räumlichen Möglichkeiten bereit. "Wir haben ja einen Innenhof, in dem man das Dach öffnen kann", sagt der Köbes. Dort dürfen sie Leute erst einmal weiter rauchen. Bis der erste Schnee fällt.

Der erste Nichtraucher-Tag

Der Tag danach, the day after, war ein amerikanischer Spielfilm. Nun kann man das Inkrafttreten des strengsten deutschen Nichtraucherschutzgesetzes sicher nicht mit dem filmischen Atomkrieg vergleichen. Und doch fällt einem beim Stadtbummel am 1. Mai der Titel unweigerlich ein.

Am Tag danach wirkt die Altstadt verlassen. Kurz vor Anpfiff des zweiten Champions-League-Halbfinals ahnt man auf der Ratinger Straße, wie es gewesen sein muss, als man Fußball noch zu Hause guckte und Bayern gegen Barca eben ein Straßenfeger war. Jetzt flimmern alle paar Meter Flachbildschirme in Grün. Doch nur vor wenigen sitzen Gäste, Raucher und Nichtraucher, vereint in milder Maienluft und roten Bayern-Trikots.

Hinter den Kneipentüren: gähnende Leere. Wie in der kleinen Altstadtbar, in der ein Kellner am Tresen raucht. Das ist seit ziemlich genau 20 Stunden und 45 Minuten verboten, wie auch die Aschenbecher auf den Tischen. Sieht aber keiner. Der Kellner ist allein. Eine Ausnahme ist er auch. Fast überall sind irgendwann zwischen der letzten Runde und dem ersten Bier die "Hier darf geraucht werden"-Aufkleber aus der Altstadt verschwunden. Stattdessen prangt das vorgeschriebene Rauchverbotsschild an fast jeder Tür.

Aschenbecher sieht man (fast nur) noch auf Terrassentischen. Im Irish Pub wirkt der Zigarettenautomat am Eingang fast wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Kaputt ist er obendrein. Das Gesetz, heißt es aus dem Ordnungsamt, sei "offensichtlich angekommen" und werde auch umgesetzt.

Sebastian Veelken, stellvertretender Amtsleiter, vermeldete: "Null Verstöße, null Beschwerden." Der städtische Ordnungs- und Servicedienst war wie jeden Abend in der ganzen Stadt auf Streife, hat nebenbei auch auf die Einhaltung des Nichtraucherschutzes geschaut - und offenbar nicht einschreiten müssen. Veelkens Chef Michael Zimmermann war am Donnerstag unterwegs, um sich mit anderen Ordnungsamts-Leitern aus Nordrhein-Westfalen abzustimmen. Sie wollen möglichst einheitlich auf Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz reagieren, sich darüber verständigen, wann wie und wie teuer eingeschritten wird. Fest steht für die Düsseldorfer aber:""Bei uns wird es keine Raucher-Razzien geben."

Auch nicht in den Stadtteilen, wo sich am Mittwochabend mehr oder minder große Gruppen vor leeren Kneipen versammeln. Und weil das Wetter halbwegs gut ist, bleiben viele gleich draußen. Wo sie nicht auf Sitzmöbeln kauern, wie vor der Pizzabude an der Kölner Straße, sieht das ein bisschen aus wie eine Demo. Ist es aber nicht. Bloß friedlich vereinte Raucher und Nichtraucher unter freiem Himmel.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Experten für die Leere in den Lokalen mitnichten das Rauchverbot verantwortlich machen, sondern das ZDF. Das übertrug den Fußballkrimi aus Barcelona ohne Pay-TV nach Hause. Und da ist auch rauchen erlaubt.

(anch/top)
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